ERSTER ABSCHNITT
Historischer Überblick
♦
Das neunzehnte Jahrhundert hat den Universitäten, die auf das
Mittelalter zurückgehen, und den Akademien, die im Zeitalter
des Absolutismus entstanden sind, als neue Bildungsstätten höherer
Ordnung die Museen hinzugefügt. Universität und Akademie stehen
als festgefügte Gebäude da, die nur um- und ausgebaut werden.
Beim Museum ist der Bildungsprozeß noch nicht abgeschlossen.
Alle drei tragen sie die Züge und das Gewand des Zeitalters, das
sie geschaffen hat. Die Hochschulen, die alle Wissenschaften zu
einem Körper zusammenschließen, entsprechen den universalisti-
schen Gedanken und Empfindungen der Geschlechter, die im Uni-
versalismus des Papsttums und des Kaisertums ihr Ideal sahen. Die
Akademien sind in ihrer Idee der Vereinigung aller Besten in Kunst
und Wissenschaft ein durchaus aristokratisches Gebilde. Die Museen,
die dem ganzenVolke offenstehen,die allen zuDiensten sind und keinen
Unterschied kennen, sind ein Ausdruck demokratischen Geistes.“
Mit diesen Worten leitet Alfred Lichtwark, einer der Vor-
kämpfer auf dem Gebiet des Museumswesens, eine Rede ein, die er
1903 auf der Mannheimer Tagung der Zentralstelle für Arbeiterwohl-
fahrtseinrichtungen gehalten hat, und der in mehrtägiger Aussprache
eine Reihe der geistvollsten Meinungsäußerungen erfahrener Fach-
leute über die Frage der Museen als Volksbildungsstätten folgten.
In den zwanzig Jahren, die seitdem verflossen sind, haben unsere
Sammlungen an Ausdehnung wie Organisation ungeahnteFortschritte
gemacht, und mit Stolz dürfen wir feststellen, daß nicht einmal die
wirtschaftliche Notlage der Nachkriegszeit diesem Wachstum Ein-
buße gebracht hat. Das Gegenteil scheint der Fall zu sein: Einer
Reihe von Museumsbauten, die noch vor dem Kriege begonnen, aber
erst kürzlich vollendet wurden, sind die mannigfachen Erfahrungen
einer Generation trefflich geschulter Museologen und die Fortschritte
Historischer Überblick
♦
Das neunzehnte Jahrhundert hat den Universitäten, die auf das
Mittelalter zurückgehen, und den Akademien, die im Zeitalter
des Absolutismus entstanden sind, als neue Bildungsstätten höherer
Ordnung die Museen hinzugefügt. Universität und Akademie stehen
als festgefügte Gebäude da, die nur um- und ausgebaut werden.
Beim Museum ist der Bildungsprozeß noch nicht abgeschlossen.
Alle drei tragen sie die Züge und das Gewand des Zeitalters, das
sie geschaffen hat. Die Hochschulen, die alle Wissenschaften zu
einem Körper zusammenschließen, entsprechen den universalisti-
schen Gedanken und Empfindungen der Geschlechter, die im Uni-
versalismus des Papsttums und des Kaisertums ihr Ideal sahen. Die
Akademien sind in ihrer Idee der Vereinigung aller Besten in Kunst
und Wissenschaft ein durchaus aristokratisches Gebilde. Die Museen,
die dem ganzenVolke offenstehen,die allen zuDiensten sind und keinen
Unterschied kennen, sind ein Ausdruck demokratischen Geistes.“
Mit diesen Worten leitet Alfred Lichtwark, einer der Vor-
kämpfer auf dem Gebiet des Museumswesens, eine Rede ein, die er
1903 auf der Mannheimer Tagung der Zentralstelle für Arbeiterwohl-
fahrtseinrichtungen gehalten hat, und der in mehrtägiger Aussprache
eine Reihe der geistvollsten Meinungsäußerungen erfahrener Fach-
leute über die Frage der Museen als Volksbildungsstätten folgten.
In den zwanzig Jahren, die seitdem verflossen sind, haben unsere
Sammlungen an Ausdehnung wie Organisation ungeahnteFortschritte
gemacht, und mit Stolz dürfen wir feststellen, daß nicht einmal die
wirtschaftliche Notlage der Nachkriegszeit diesem Wachstum Ein-
buße gebracht hat. Das Gegenteil scheint der Fall zu sein: Einer
Reihe von Museumsbauten, die noch vor dem Kriege begonnen, aber
erst kürzlich vollendet wurden, sind die mannigfachen Erfahrungen
einer Generation trefflich geschulter Museologen und die Fortschritte