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Schopenhauer, Johanna; Houben, Heinrich Hubert [Editor]
Damals in Weimar: Erinnerungen und Briefe von und an Johanna Schopenhauer — Berlin: Rembrandt-Verl., 1929

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https://doi.org/10.11588/diglit.49927#0345
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Arthur Schopenhauers Enterbung-
wenn meine Schriften künftig Auflagen erlebten, meiner
einzigen Tochter Louise Adelaide. Diese soll sogleich nach
meinem Tode ohne gerichtliche Einmischung alles an sich
zu nehmen befugt seyn. Mein einziger Sohn Arthur kennt
die Verhältnisse alle selbst; er hat den größten Theil
seines Vermögens gerettet und hat nichts zu fordern; er
weiß, was seine Schwester im Vermögen hatte, weiß wie
wenig ich ihr gewähren kann, wenn meine Tochter Louise
Adelaide auch alles nach meinem Tode in Besitz erhält,
was ich nachlasse, oder vielmehr was jetzt schon ihr
Eigentum ist. Für den Fall, wenn mein Sohn Arthur
Schopenhauer vorstehende letztwillige Erklärung nicht
anerkennen, oder das Geringste von dem fordern würde,
was bei meinem Ableben vorhanden ist und meiner Toch-
ter gehört, oder wenn er ein eidliches Verzeichnis for-
dern, oder den Weg Rechtens betreten sollte, um gegen-
wärtige letztwillige Erklärung und Verordnung zu ent-
kräften, es geschehe mit Erfolg oder nicht, so will ich, je-
doch nur für diesen Fall, in so weit er angenommen wer-
den könnte: ich besäße oder hinterließe etwas, was
jedoch, wie ich bei Gott versichere, nicht der Fall ist,
hiermit zu dessen alleiniger und ausschließender Erbin
meine einzige Tochter Louise Adelaide ernannt und
meinen einzigen Sohn Arthur hiermit enterbt haben. Zu
dieser Enterbung bin ich befugt durch das Benehmen
meines Sohnes seit 1818, welches zu schrecklich ist, als
daß ich es hier schriftlich wiederholen könnte, welches
Briefe belegen, die noch unter meinen Papieren verwahrt
sind und welches der Grund des stillen Kummers ist, der
seit jener Zeit an meinem Leben nagt.
Sollte mein Testament nicht als ein ziemliches gelten,
so trete es in Kraft als Kodizill, Schenkung unter Leben-
den oder auf den Todesfall, oder als ein in den Rechten
am meisten begünstigter letzter Wille.
Ich habe diese Schrift selbst geschrieben, eigenhändig
unterzeichnet und mit meinem Wappen besiegelt. Weimar
am fünften Jul. eintausend achthundert zwanzig und drei.
Johanna Henriette verwittwete Schopenhauer
geborne Trosiener
[Am Tage darauf reiste Johanna mit ihrer Tochter an
den Rhein und suchte in Wiesbaden Erholung von einer

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