Ein Schlaganfall
Krankheit, die sie seit einem halben Jahre plagte. Am 17.
Januar 1823 schrieb sie an den Verleger des Taschenbuchs
„Cornelia“, Joseph Engelmann in Heidelberg: „Ich leide
unglücklicherweise seit dem Weihnachtsabend an einem
rheumatischen Übel, welches ich vorher nie kannte, und
das der schnelle Wechsel der Witterung neben der furcht-
baren plötzlichen Kälte von 21 Grad mir zugezogen hat.
Dieses hat mich in meinen Arbeiten sehr zurückgesezt.“
Und am 8. März meldete Friedrich Osann, der Bruder
Gottfrieds, mit dem Adele damals verlobt war, dem Sohne
Arthur: „Auch Ihre Mutter hat hart darnieder gelegen an
einem Anfall von Schlag. Doch ist itzt, so viel ich weiß,
längst alles beseitigt und beim Alten.“ Als er sie aber im
nächsten Winter (4. Jan. 1824) besuchte, mußte er melden,
daß sie noch immer leidend und schwächlich sei und den
ganz freien Gebrauch ihres Körpers nicht wieder erlangt
habe. Sie hinkte seitdem. — Über die vermögensrechtliche
Auseinandersetzung zwischen Johanna und ihrem Sohn
vgl. noch meinen Aufsatz „Arthur Schopenhauers Ent-
erbung durch seine Mutter“ in meinem Buche „Kleine
Blumen, kleine Blätter“ (1925).]
Charlotte von Schiller an K. L. von Knebel.
Rudolstadt, den 26. Julius 1823.
Wir wollen uns freuen, daß Goethe dem Licht wieder-
gegeben und daß er in Marienbad neue Kräfte sammelt,
wenn ihm auch in der eigenthümlichen Gegend nicht im-
mer hohe Gestalten erscheinen, und wenn er sich an
den Producten seiner Schutzbedürftigen erfreut, so wollen
wir dieß als ein Zeichen seiner Milde hoch anrechnen. In
dem einen neusten Hefte von „Kunst und Alterthum“
haben sich mir diese Bemerkungen aufgedrungen. Sie
lieben vielleicht auch die „Gabriele“? Ich hätte es nicht
sagen sollen, aber ich gestehe, daß ich diese Urtheile von
Goethe mehr einer demüthigen Vorstellung seiner weib-
lichen Umgebung zuschreibe, und glaube, er hat sich er-
bitten lassen, als daß er seinem Geschmack selbst folgte.
Man möchte von vielen Producten der neuern Zeit sagen,
wie Shakspeare von einem unbedeutenden Menschen im
„Kaufmann von Venedig“: „Gott hat ihn geschaffen; also
laßt ihn für einen Menschen gelten!“
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Krankheit, die sie seit einem halben Jahre plagte. Am 17.
Januar 1823 schrieb sie an den Verleger des Taschenbuchs
„Cornelia“, Joseph Engelmann in Heidelberg: „Ich leide
unglücklicherweise seit dem Weihnachtsabend an einem
rheumatischen Übel, welches ich vorher nie kannte, und
das der schnelle Wechsel der Witterung neben der furcht-
baren plötzlichen Kälte von 21 Grad mir zugezogen hat.
Dieses hat mich in meinen Arbeiten sehr zurückgesezt.“
Und am 8. März meldete Friedrich Osann, der Bruder
Gottfrieds, mit dem Adele damals verlobt war, dem Sohne
Arthur: „Auch Ihre Mutter hat hart darnieder gelegen an
einem Anfall von Schlag. Doch ist itzt, so viel ich weiß,
längst alles beseitigt und beim Alten.“ Als er sie aber im
nächsten Winter (4. Jan. 1824) besuchte, mußte er melden,
daß sie noch immer leidend und schwächlich sei und den
ganz freien Gebrauch ihres Körpers nicht wieder erlangt
habe. Sie hinkte seitdem. — Über die vermögensrechtliche
Auseinandersetzung zwischen Johanna und ihrem Sohn
vgl. noch meinen Aufsatz „Arthur Schopenhauers Ent-
erbung durch seine Mutter“ in meinem Buche „Kleine
Blumen, kleine Blätter“ (1925).]
Charlotte von Schiller an K. L. von Knebel.
Rudolstadt, den 26. Julius 1823.
Wir wollen uns freuen, daß Goethe dem Licht wieder-
gegeben und daß er in Marienbad neue Kräfte sammelt,
wenn ihm auch in der eigenthümlichen Gegend nicht im-
mer hohe Gestalten erscheinen, und wenn er sich an
den Producten seiner Schutzbedürftigen erfreut, so wollen
wir dieß als ein Zeichen seiner Milde hoch anrechnen. In
dem einen neusten Hefte von „Kunst und Alterthum“
haben sich mir diese Bemerkungen aufgedrungen. Sie
lieben vielleicht auch die „Gabriele“? Ich hätte es nicht
sagen sollen, aber ich gestehe, daß ich diese Urtheile von
Goethe mehr einer demüthigen Vorstellung seiner weib-
lichen Umgebung zuschreibe, und glaube, er hat sich er-
bitten lassen, als daß er seinem Geschmack selbst folgte.
Man möchte von vielen Producten der neuern Zeit sagen,
wie Shakspeare von einem unbedeutenden Menschen im
„Kaufmann von Venedig“: „Gott hat ihn geschaffen; also
laßt ihn für einen Menschen gelten!“
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