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Schopenhauer, Johanna; Houben, Heinrich Hubert [Hrsg.]
Damals in Weimar: Erinnerungen und Briefe von und an Johanna Schopenhauer — Berlin: Rembrandt-Verl., 1929

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https://doi.org/10.11588/diglit.49927#0009
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EINLEITUNG
„Heute werden Federn geschnitten, Tinte auf gefrischt,
Papier gekauft, und morgen fange ich an, meine Memoi-
ren, Wahrheit ohne Dichtung, zu schreiben. Das ist eine
Arbeit, auf die ich mich sehr freue, und die mir gewiß
gut vonstatten gehen wird. Mit meinen Herzensange-
legenheiten, denn die sind doch eigentlich das Leben
einer Frau, werde ich der Welt nicht beschwerlich fal-
len, aber in einem 70 Jahre langen Leben, von der Be-
freiung Amerikas an bis auf den heutigen Tag, kommt
doch manches vor, was Kinder und Kindeskinder inter-
essieren kann.“
So schrieb Johanna Schopenhauer am 13. Januar 1837
an den ihr befreundeten Dichter und Übersetzer Johann
Diederich Gries, und mit frischer Entschlossenheit machte
sich die Siebzigjährige an die Arbeit. Sie hat ihre Ab-
sicht nur zum Teil ausführen können. Mit der Geburt
ihres Sohnes Arthur, des berühmten Philosophen, bre-
chen ihre Erinnerungen ab; von der Fortsetzung waren
nur wenige Blätter geschrieben, als ein plötzlicher Tod
ihr die Feder aus der Hand nahm. Johanna starb in der
Nacht vom 16. auf den 17. April 1838 in Jena; von Bonn
war sie im Herbst 1837 dorthin übergesiedelt, nachdem
der Großherzog Karl Friedrich von Sachsen-Weimar der
kränklichen und verarmten Schriftstellerin ein beschei-
denes Jahrgeld ausgesetzt hatte.
Was von ihren Lebenserinnerungen vollendet vorlag,
veröffentlichte ihre Tochter Adele 1839 unter dem Titel
„Jugendleben und Wanderbilder“ (Braunschweig, George
Westermann), zwei Bände, die zu den anziehendsten
Werken der deutschen Memoirenliteratur gehören. Von
ihrer Heimat, der Freien Stadt Danzig, entwirft Johanna
in sauberster Pinselführung ein umfassendes Bild, das
über den persönlichen und lokalen Gesichtspunkt hin-
aus an kulturgeschichtlichem Wert nicht viele seines-
gleichen hat; eine erstaunlich lebhafte Erinnerung ver-
eint sich mit scharfer Beobachtungsgabe auch für die un-
scheinbarsten und doch so charakteristischen Einzelheiten;
ein klarer Sinn für alles Gegenständliche und Wesent-
liche und die reiche Erfahrung einer vielgereisten Frau,

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