Einleitung.
der mancher Länder und Menschen abweichende Sitten
kennen zu lernen beschert war, werden wirksam unter-
stützt durch eine reife, geschmackvolle Erzählungskunst,
die ihre Vorliebe für abrundende anekdotische Prägung
nirgends verleugnet. Als vollständig ist nur dieses
Jugendleben zu betrachten, es läßt den Verlust der Fort-
setzung um so mehr bedauern. Die Wanderbilder setzte
Adele aus den damals noch vorhandenen Tagebüchern
ihrer Mutter, aus vereinzelten Briefen an ihren Sohn
Arthur und aus zerstreuten Aufsätzen zusammen, denen
alles Zufällige und Fragmentarische der Entstehung an-
haftet. Sie ergänzen sich durch die verschiedenen Reise-
beschreibungen, durch die Johanna selbst, nachdem sie
1810 mit „Fernows Leben“ ihr Darstellungstalent be-
wiesen, ihren Ruf als gewandte und unterhaltsame
Schriftstellerin begründet hat; diese Schilderungen ihres
Aufenthalts in England, Schottland, Frankreich, am
Rhein und in den Niederlanden — Reisen, deren erste
ihr Sohn Arthur mitgenoß und in eigenen Tagebüchern
beschrieb, —, verdienen auch heute noch Beachtung,
während der Lektüre ihrer zahlreichen Romane und
Novellen schon ein literarhistorisches Interesse zu Hilfe
kommen muß.
Unbeschrieben aber blieb die Epoche ihres Lebens, die
ihren Namen mit der zweiten Hälfte unseres klassischen
Zeitalters aufs engste verband. Ein Jahr nach dem Tode
Schillers kam Johanna nach Thüringen, Goethes wegen
siedelte sie im Herbst 1806, wenige Tage vor der Jenaer
Schlacht, nach Weimar über, und bis zum Jahre 1829
weilte sie dort im Schatten des Titanen, um den es, als
auch Wieland 1815 starb, immer einsamer wurde. Die
Zeit seiner höchsten Reife, von der Vollendung des
ersten Teils „Faust“ über die „Wahlverwandtschaften"
zu „Wahrheit und Dichtung“ und zum „Westöstlichen
Divan“, verlebte sie in enger Gemeinschaft mit dem
Dichter und seinem Freundeskreis. Und auch als der
alternde Olympier sich, mehr und mehr in das Museum
seines Hauses zurückzog und die Abenddämmerung sich
über sein Leben breitete, waren Johanna und nun auch
ihre Tochter Adele Zeuginnen dieses erhabenen Schau-
spiels, dessen Vorhang mit dem Tode Goethes 1832 fiel
und über Weimar, so lange die leuchtende Gralsburg
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der mancher Länder und Menschen abweichende Sitten
kennen zu lernen beschert war, werden wirksam unter-
stützt durch eine reife, geschmackvolle Erzählungskunst,
die ihre Vorliebe für abrundende anekdotische Prägung
nirgends verleugnet. Als vollständig ist nur dieses
Jugendleben zu betrachten, es läßt den Verlust der Fort-
setzung um so mehr bedauern. Die Wanderbilder setzte
Adele aus den damals noch vorhandenen Tagebüchern
ihrer Mutter, aus vereinzelten Briefen an ihren Sohn
Arthur und aus zerstreuten Aufsätzen zusammen, denen
alles Zufällige und Fragmentarische der Entstehung an-
haftet. Sie ergänzen sich durch die verschiedenen Reise-
beschreibungen, durch die Johanna selbst, nachdem sie
1810 mit „Fernows Leben“ ihr Darstellungstalent be-
wiesen, ihren Ruf als gewandte und unterhaltsame
Schriftstellerin begründet hat; diese Schilderungen ihres
Aufenthalts in England, Schottland, Frankreich, am
Rhein und in den Niederlanden — Reisen, deren erste
ihr Sohn Arthur mitgenoß und in eigenen Tagebüchern
beschrieb, —, verdienen auch heute noch Beachtung,
während der Lektüre ihrer zahlreichen Romane und
Novellen schon ein literarhistorisches Interesse zu Hilfe
kommen muß.
Unbeschrieben aber blieb die Epoche ihres Lebens, die
ihren Namen mit der zweiten Hälfte unseres klassischen
Zeitalters aufs engste verband. Ein Jahr nach dem Tode
Schillers kam Johanna nach Thüringen, Goethes wegen
siedelte sie im Herbst 1806, wenige Tage vor der Jenaer
Schlacht, nach Weimar über, und bis zum Jahre 1829
weilte sie dort im Schatten des Titanen, um den es, als
auch Wieland 1815 starb, immer einsamer wurde. Die
Zeit seiner höchsten Reife, von der Vollendung des
ersten Teils „Faust“ über die „Wahlverwandtschaften"
zu „Wahrheit und Dichtung“ und zum „Westöstlichen
Divan“, verlebte sie in enger Gemeinschaft mit dem
Dichter und seinem Freundeskreis. Und auch als der
alternde Olympier sich, mehr und mehr in das Museum
seines Hauses zurückzog und die Abenddämmerung sich
über sein Leben breitete, waren Johanna und nun auch
ihre Tochter Adele Zeuginnen dieses erhabenen Schau-
spiels, dessen Vorhang mit dem Tode Goethes 1832 fiel
und über Weimar, so lange die leuchtende Gralsburg
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