Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Huch, Ricarda
Farbenfenster grosser Kathedralen des XII. und XIII. Jahrhunderts: Meisterwerke mittelalterlicher Glasmalerei — Leipzig, 1937

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.44803#0019
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
ZUR TECHNIK UND ENTWICKLUNG FRÜHMITTELALTERLICHER GLASMALEREI

TAie vorliegende Auswahl erhebt nicht den An-
' ' spruch, einen kunstgeschichtlichen Ueberblick
über die hauptsächlichen Formen der frühmittel-
alterlichen Glasmalerei zu geben. Sie möchte nur,
an Hand sorgfältig ausgewählter Beispiele und
unter Verwendung vervollkommneter Wiedergabe-
verfahren, vom unerschöpflichen Reichtum dieser
Kunst in einigen ihrer schönsten Werke künden.
Die Beschränkung auf die Dome Frankreichs
rechtfertigte sich durch die Knappheit der Aus-
wahl wie auch durch die Tatsache, dass die Glas-
malerei des 12. und 13. Jahrhunderts in Frank-
reich zu ihrer reifsten Schönheit erblühte.
Die unerhörte Farbenglut gotischer Fenster hat
von jeher die Frage nach der Herstellungstechnik
geweckt. Der Mönch Theophilus, der zu Beginn
des 12. Jahrhunderts in Deutschland lebte, nennt
uns als Formel für die Glasbereitung: zwei Teile
Buchen- oder Farn-Asche, als alkalische Basis,
und ein Teil reinen Flusssand. Vermutlich fügte
man etwas Meersalz bei, wodurch die Durch-
sichtigkeit des Glases vermindert, die Bearbeitung
aber erleichtert wurde. Durch ausgiebiges Schmel-
zen erhält man, wie Theophilus erwähnt, einen
ziemlich warmen Purpurton. Für die anderen
Farben empfiehlt er, Glasstücke alter Mosaiken
zu zermahlen, ein Verfahren, dem, wenn über-
haupt je angewendet, nur kurze Dauer beschieden
gewesen wäre, da sich der Vorrat an alten Mosaiken
rasch erschöpft hätte. Der Abt von St. Denis be-
hauptet, die blaue Farbe durch Zufügen zer-
riebener Saphire gewonnen zu haben; es wurde
kein Nachweis dafür gefunden. Abgesehen vom
hohen Preis wäre die Farbkraft des Saphirs gering.
Ebensowenig hält die Behauptung stich, dass
Lapis Lazuli verwendet worden sei.
Die Färbung der Gläser erfolgte vielmehr durch
Metalloxyde, die während des Schmelzvorganges
der flüssigen Masse beigefügt wurden. Es waren
nur wenig Farben: blau, rot, grün, purpur, gelb.
Blau erhielt man aus Kobaltoxyd, das aus Böhmen
bezogen wurde. In sehr reiner Qualität ergab
es ein schönes Azurblau, das im 13. Jahrhundert
durch Zusatz von Manganoxyd leicht violett oder
durch Kupferoxyd grünlich getönt wurde. Rot,
durch Kupferoxydul erzielt (Kupferspäne mit
einem desoxydierenden Mittel, meist Eisensplitter,
in den Glasfluss gemengt), war die schwierigste
Farbe. Es war zumeist so kräftig und tief, dass
das Licht nicht durchdringen konnte. Man be-
genügte sich daher mit dem Auflegen einer dünnen

Rotfolie auf farbloses Glas, oder man mengte
abwechselnd roten und farblosen Glasfluss, wo-
durch Aederungen im Glas entstanden. Niemals
aber, entgegen der üblichen Behauptung, ist dem
Glasfluss Gold zugesetzt worden, um die Leucht-
kraft des Rot zu erhöhen.
Grün erzielte man durch Kupferoxyd. Hin-
zugefügtes Kobaltoxyd gab ihm einen bläulichen
Ton. Gelb wurde durch Vermengung von Mangan-
dioxyd mit Eisenoxyd (Ferri-Oxyd) gewonnen. Alle
diese Oxyde, mit Ausnahme des Kobalt, kommen
in den Mineralschätzen Frankreichs vor.
Die Schönheit der Farbtöne wurde gesteigert
durch die ausserordentliche Kunst, mit der die
Glasmaler sie zur Geltung brachten. Anfänglich
wurden die Gläser am Ort der Verwendung her-
gestellt. Bald aber bezog man sie von Glashütten,
die in der Regel an Waldrändern aufgestellt waren.
Die Fenster wurden dann am Bauplatz der Kirche
selbst durch Wanderwerkstätten, die von Stadt
zu Stadt zogen, zusammengesetzt. Dies erlaubte
die Farben am Aufstellungsort selbst, mit Rück-
sicht auf die örtlichen Verhältnisse, auszuwählen —
je nachdem ein Fenster nach Süden, Norden,
Osten ging, durch volles Himmelslicht erhellt oder
von Strebepfeilern verdunkelt war, oder durch
gegenüberliegende Mauern, durch einen Turm be-
schattet erschien; auch auf die Lichtverhältnisse
im Innern des Domes musste Rücksicht genommen
werden. Zugleich stimmte man die Farbenkraft
wie den Farbenklang nach den benachbarten
Fenstern ab. So enthalten z. B. in Chartres die
Nordfenster mehr Blau, die Südfenster mehr Rot
und Orange.
Die Glasmaler des Mittelalters waren sich
der grundsätzlichen Verschiedenheit von Glas-
fensterkunst und Tafelmalerei zu sehr bewusst,
als dass sie versucht hätten, letzterer nachzustreben.
(Dies geschah erst später und war für den Ver-
fall der Glasmalerei kennzeichnend.) Vor allem
wussten diese Meister, dass die Farben im Glas-
bild nur relativen Wert haben und weit mehr als
in der Tafelmalerei ineinander spielen und sich
durch wechselseitige Ueberstrahlung verändern:
ein Rot in der Nähe des Blau erscheint violett ge-
tönt, ein weisses Band neben einem Blau ist grau
oder grünlich usw. Die Strahlung des Blau ins-
besondere ist so stark, dass sie alle anderen Farben
beherrscht. Sie bildet das eigentliche Leben des
Farbenfensters und leuchtet selbst bei grauem
Himmel noch. Blau bildet oft den Grund des

13
 
Annotationen