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Hübsch, Heinrich
Die altchristlichen Kirchen nach den Baudenkmalen und älteren Beschreibungen und der Einfluss des altchristlichen Baustyls auf den Kirchenbau aller späteren Perioden: Text zu dem 63 Platten enthaltenden Atlas — Karlsruhe, 1862

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https://doi.org/10.11588/diglit.3196#0028
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Hälfte des Mittelalters wurden die acht dicken gemauerten Pfeiler errichtet, die unter sich
durch Bogen verbunden die Kirche in drei Schiffe theilen, welche Holzdecken hatten.
Aber die Umfassungsmauern zeigen zu beiden Seiten (auf eine Länge von beiläufig 40 m.)
und vorn und hinten an den Wiederkehren, soweit sie auf dem Grundriss schwarz angelegt
sind, die römische Backstein-Mauerung der constantinischen Periode. Sie haben die be-
deutende Höhe von 25 m. und Dicke von 1,80 m. und schlössen einen quadratischen Raum
von 36,5 m. Breite und Länge ein, dessen hölzerne Decke von vier Freistützen, die.unter
sich durch Bogen verbunden waren, getragen wurde. Man sieht jetzt noch im Innern an
mehreren Stellen die Capitäle der diesen Freistützen gegenüber stehenden Wandpfeiler mit
den Bogenanfängen, die unmittelbar auf dem ziemlich starken Abacus des korinthischen
Capitata sassen. Fs geht wohl hieraus hervor, dass die vier Freistützen Säulen von eben-
falls korinthischer Ordnung waren, welche noch im Kerne der später aufgemauerten,
und im Grundriss blass schraffirten Pfeiler sich befinden, und deren Schafte nach einem
jetzt noch ausserhalb des Doms liegenden Stücke zu schliessen, Monolithen aus Granit
waren. Schmidt hat diess alles in seinen Denkmalen Triers sehr gründlich nachgewiesen.
Diese Säulen hatten einschliesslich des Capitäls und Fusses die bedeutende Höhe von 15 m.
Noch merkwürdiger aber, als die Gröse der Säulen ist die 17,5 in. betragende mittelste
Zwischen weite derselben, welche demnach mit einem Bogen von ausserordentlicher Span-
nung übersprengt war, was an Kühnheit seines Gleichen sucht. Wir sehen wohl solche
weit gesprengte Bogen an den Transepten mancher altchristlichen Kirche von Säulen ge-
tragen, aber es sind Wandsäulen, deren Stabilität also durch unmittelbar dahinter be-
findliche Mauern verstärkt wird.

Die ursprüngliche Hauptgestalt dieses über alle Maasen grosartigen innern Baumes
ist mit ziemlicher Sicherheit zu ergänzen, und wird durch den Querschnitt Fig. 13 dar-
gestellt. Es war hiernach ein dreischiffiger Baum, dessen Mittelschiff am einen Ende
ohne Zweifel durch eine halbkreisförmige Absis abgeschlossen war, die erst in der zweiten
Hälfte des Mittelalters abgetragen wurde, um statt derselben den jetzt bestehenden längern
Chorbau anzufügen. Die vordere Facade denkt sich Schmidt nach einfacher gerader Linie.
Aber es mussten hier offenbar, um dem Seitenschub der innern beiden Bogenstellungen
zu begegnen, zwei Mauerverstärkungen, etwa nach der durch leichte Schraffirung ange-
deuteten Weise vorhanden gewesen sein. Ebenso kann ich mich darin mit Schmidt's
Bestauration nicht einverstanden erklären, dass derselbe ausser den nach der Länge ge-
spannten Bogen, auch noch quer durch die Breite des Mittelschiffs — also nach derselben
Richtung, wie die hölzernen Durchzüge der Decke lagen — sich zwei Bogen gesprengt denkt.
Dieselben hätten nicht allein gar keinen constructiven Dienst geleistet, sondern sie hätten
auch auf die Seitenmauern einen so bedeutenden Seitenschub ausgeübt, den die letztern
nicht würden ausgehalten haben. Selbst der Seitenschub der quer durch die Seitenräume
gesprengten kleinem Bögen, welche allerdings unläugbar vorhanden waren, wie der an
einer Stelle noch sichtbare Bogenanfang zeigt, musste schon einen ziemlich starken Seiten-
schub auf die Mauern nach aussen, sowie auf die Säulenstellung nach innen ausüben.
Uebrigens war das auf diesen Bogen aufsitzende kleine Stück Mauer durch je zwei Oeffhungen
erleichtert. Dass diese im Querschnitt angegebenen Oeffnungen wirklich vorhanden waren,
lässt sich jetzt noch deutlich erkennen, wenn man auf die gegenwärtigen Deckengewölbe
der Seitenschiffe steigt.

Der eben beschriebene Bau wurde nun von Manchen für einen Theil des Palastes
der Helena, der Mutter des Kaisers Constantin, erklärt. Diese Behauptung ist aber nicht
haltbar. Deim erstlich zeigen die nach drei Seiten noch vorhandenen Fenster, während
an der vierten die Eingänge waren, dass wir keinen Flügel eines noch grösern Baues,
sondern ein freistehendes Ganze vor uns haben. Und zweitens war sein Inneres nicht
etwa durch Zwischenwände in mehrere Räume abgetheilt, sondern war schon ursprünglich
ein einziger groser Raum, welcher zwar an den Umfassungsmauern zwei Reihen gleich
groser Fensteröffnungen über einander hatte, aber keineswegs zwei Stockwerke, sondern
ein 25 bis 26 m. hohes Lmeres bildete, dessen Mittelschiff sogar noch höher musste ge-
wesen sein. Und was endlich die innere Zwischenunterstützung mittelst nur vier in kühner
Weite auseinander gestellten Säulen betrifft, so ist kein einziges heidnisch-römisches Bau-
werk vorhanden, das auch nur eine entfernte Aehnlichkeit darböte. Diess alles zwingt
uns anzunehmen, dass dieser Bau schon ursprünglich als christliche Kirche errichtet wurde,
und allerdings muthmaaslich schon durch die Mutter Constantins, die bekanntlich lange
vor ihrem Sohne Christin war und in Trier wohnte.

Neuerdings wollte man den Bau gar um einige Jahrhunderte später setzen, und zwar
blos darum, weil an dem schon oben erwähnten noch sichtbaren Pilaster- Capitäle die
Blätter etwas roh gearbeitet sind, und weil der Abacus keine ganz streng classisch-römische
Profilirung zeigt. Allein abgesehen von dem noch spät-römischen Backstein-Mauerwerk der
Umfassungsmauern, würde man in späterer Zeit solche kolossale schwere Monolithen, wie
die vier Granitsäulen nicht mehr zu handhaben verstanden haben. Und noch weniger
hätte man gewagt, so weit gesprengte Bogen auf verhältnissmäsig geringen Wider lagen
auszuführen, was nur haltbar war vermöge der ausserordentlichen Cohäsion des römi-
schen Mörtels, den man selbst ausserhalb Italiens, wo statt des guten Puzzolansandes
nur Surrogate zur Verfügung standen, dennoch während der Kaiserzeit gut zu bereiten
verstand. Wo kommt bei irgend einem frühmittelalterlichen Bau solche kühne Bogen-
stellung vor? Uebrigens ist das fragliche Pilaster-Capitäl, wie dessen Detailzeichnung
Fig. 11 zeigt, zwar etwas plump gestaltet, und allerdings als verunglückt zu bezeichnen,
kann aber darum noch keineswegs mit solcher Entschiedenheit dem Mittelalter zugewiesen

werden.

Ich glaubte daher dieses Monument in die Reihenfolge der altchristlichen Kirchen
aufnehmen, und zwar als eines der ältesten der constantinischen Periode voranstellen zu
müssen. Ich will aber gleichwohl nicht unterlassen, darauf aufmerksam zu machen, wie
dieser Bau sich von den altchristlichen Kirchen Roms und anderer Orte unterscheidet.
An den letztern zeigen sich nämlich immer zwei Höhenregionen, indem die Abseiten nur
halb so hoch sind, als das Mittelschiff. Ferner haben die Umfassungsmauern der Ab-
seiten nur dann zwei Reihen Fenster über einander, wenn sie zweistöckig sind, wie z. B.
die Kirche des Johannes Studios zu Constantinopel, deren Seitenmauern nach der Aufnahme,
die uns Salzenberg in seinem Werke über die Sophienkirche gibt, gerade noch soweit
stehen, um die zwei Reihen von Fenstern übereinander zu zeigen. Und endlich entspricht
bei den altchristlichen Basiliken die Gröse der Säulen des Langhauses blos der geringeren
Höhe der Seitenschiffe, und es finden sich höchstens an dem grosen Bogen, der (um die
Einsicht in das Querschiff und die Absis zu öffnen) am Ende des Langhauses über das
Mittelschiff gesprengt ist, dem sogenannten Triumphbogen, zwei solcher grosen, der Höhe
des Mittelraumes entsprechenden Säulen, und zwar als Wandsäulen. In der Trierer Kirche
waren aber vier solcher kolossalen Säulen und zwar als Freisäulen zur Zwischenunterstützung
der Decke aufgestellt. Sie war auf diese Weise eine Kirche von ungewöhnlich einfacher,

aber auch von ungewöhnlich grosartiger architectonischer Anordnung. Einen Gegensatz
hierzu bildet

die Kirche Sanf Agostino del croeifisso zu Spoleto.

(Auf PL VI, Fig. 15 bis 17.)

Diese nicht sehr grose Kirche ist auffallend mannigfach gegliedert, aber ebenfalls
zum Theil sehr verschieden von den altchristlichen Basiliken Roms. Sie muss für eine
der ältesten auf uns gekommenen Kirchen erklärt und in den Anfang der constantinischen
Periode gesetzt werden, weil die drei Thürgestelle und die Einfassung der drei Fenster
an der wohlerhaltenen ursprünglichen Vorderfacade noch ganz nach antiker Weise —
ähnlich wie am Triumphbogen des Gallienus zu Verona — gestaltet sind, und so feine
Laubornamente zeigen, wie sie in den spätem christlichen Perioden kaum mehr vorkommen.

Den drei Thüren entsprechen die drei Schiffe der ein einfaches Oblongum bildenden
Kirche, mit einer Gesammtbreite von 16 m. im Lichten und einer Länge von 25 m. bis
zum Triumphbogen. Die Mittelschiff-Mauern des eigentlichen Langhauses sind nicht
mehr erhalten, doch lässt sich noch erkennen, dass sie beiläufig noch einmal so hoch
als die 5,5 m. hohen Seitenschiffe waren und durch zwei, ebenfalls nicht mehr vor-
handene Säulenreihen unterstützt wurden, die vermuthlich antiken Monumenten ent-
nommen waren. Wenigstens sind an dem zwischen dem ebenerwähnten Triumphbogen
und der Absis befindlichen und gleich letzterer noch ganz erhaltenen Theile lauter
antike Säulenschäfte und Capitäle und zwar von drei verschiedenen Ordnungen ver-
wendet. In den vier Ecken dieses nach quadratischem Grundplan angelegten Mittelraumes
stehen vier korinthische Säulen, auf deren eigenthümlichen jonisch-korinthischen Capitälen
vier vollständige antike Gebälkwürfel — noch ganz so wie in der sogenannten gewölbten
Basilika des Maxentius zu Rom — liegen, worauf sich vier Wandbogen erheben, und
darüber ins Achteck übergehend ein Kuppelgewölbe. Unterhalb desselben schliesst sich
nach hinten die halbkreisförmige Absis an, und gegen das Langhaus öffnet sich dieser
quadratische Mittelraum mittelst des durch zwei etwas vortretende Halbsäulen gebildeten
Triumphbogens; nach beiden Seiten aber ist er in der obern Höhenregion geschlossen durch
die sich fortsetzende Mauer des Mittelschiffs, die hier getragen wird durch je drei antike
und mit ebenfalls antikem Architrave aus weissem Marmor überspannte Säulen korinthischer
Ordnung, hinter welchen sich die Abseiten fortsetzen. Dieser Architrav aus weissem
Marmor besteht von Säule zu Säule aus je drei Stücken, die keilförmig nach dem Schnitte
eines scheitrechten Gewölbes zusammen gefügt sind. Muthmaslich wurden die Mittelschiff-
Mauern des Langhauses durch gleichgestaltete und ebenfalls mit Architrav-Stücken über-
spannte Säulenstellungen unterstützt. Der gewölbte Mittelraum hat ein sehr emporstrebendes
Verhältniss. Er ist bis zum Scheitel der vier Hauptbogen zweimal so hoch als breit,
erinnert aber sonst sehr an mehrere in neuerer Zeit entdeckte quadratische Catacomben-
Capellen (s. Fig. 6), wo ebenfalls vier Ecksäulen, natürlich nur in Relief, d. h. als
Viertelssäulen angedeutet sind.

Wie schon gesagt, muss diese Kirche in eine sehr frühe Zeit hinaufgesetzt werden,
dabei ist es aber immerhin auffallend, dass wir hier nicht allein die Absis, sondern auch
selbst den zwischen letzterer und dem Triumphbogen befindlichen quadratischen Theil des
Mittelschiffs gewölbt finden, und zwar mit einer achteckigen Kuppel, die allerdings bei
den Kirchen jenseits der Apeninnen auch schon sehr frühe vorkommt, wie wir später
sehen werden, aber nicht so bei den Basiliken Mittelitaliens und der Umgegend. Nur das
Transept der später zu besprechenden Basilika San Pietro in vincoli zu Rom ist ebenfalls
gewölbt, wiewohl nicht mit einer Kuppel auf der Kreuzung versehen. Ferner ist es merk-
würdig, aussen an den vier Ecken des erhöhten Mittelbaus, worauf die Kuppel sitzt, vier
stark vortretende Strebepfeiler zu sehen, die nicht etwa später angefügt wurden, sondern
gleich dem ganzen Aufbau ursprünglich sind. Diese Kirche zeigt ausser dem noch manches
Eigenthümliche, wie leicht durch den Vergleich mit den auf den folgenden Platten dar-
gestellten altchristlichen Kirchen zu ersehen ist.

Das Grabmal der Constantia. (Santa Costanza) zu Rom.

(Auf PI. VII, Fig. 1 ist der Grundriss, auf PI. VIII, Fig. 1 der Durchschnitt dar-
gestellt.)

Dieser ausserhalb der Stadtmauern an der via Nomentana und neben der Kirche
Sanf Agnese gelegene grosartige Kuppelbau ist in seinen Haupttheilen noch ziemlich gut
erhalten, und wurde schon oft abgebildet und in neuerer Zeit sehr genau durch Isabelle
aufgenommen1). Ich gebe, ohne mich auf die Restauration der ursprünglichen Gestalt
des Aeussern einzulassen, nur den Grundriss und Durchschnitt dieses Monuments, weil es
doch wohl der älteste christliche Kuppelbau von erheblicher Gröse und zweischiffiger Anlage
ist. Auch dürfte es von besonderem Interesse sein, eine Vergleichung mit einer Rund-
kirche von ähnlicher Anlage, Santa Maria maggiore zu Nocera, wovon auf spätem Platten
eine genaue Aufnahme folgen wird, anstellen zu können.

Durch die Thüre a die sich an der Rückwand einer jetzt verfallenen Vorhalle befindet,
tritt man in eine 22V2 m. im Lichten Durchmesser grose Rotunde, deren 11% m. weiter
Mittelraum mit einer Kuppel überwölbt ist, die sich auf einem hoch über das Dach des
Umgangs hinausragenden Tambour bis zu 19 m. vom innern Boden an gerechnet, erhebt.
Und dieser letztere steht auf 12 Stützen, die nicht etwa durch massive Pfeiler, sondern
durch je zwei zusammen gekuppelte schlanke Säulen gebildet werden. Durch die beiden
vielleicht erst später ausgebrochenen Thüren b gelangt man zu einem aussen um den Bau
herumziehenden Gange der nach hinten rampenartig abwärts führt zu einem Souterrain.
Dieser Gang war ebenfalls mit einem Gewölbe überdeckt, dessen Anfang sich noch rings-
herum an der äussern Seite der Umfassungsmauer zeigt; aber von dessen äussern Stützen,
ob es Säulen oder Pfeiler waren, ist keine Spur mehr vorhanden. Der Altar dieser Be-
gräbnisskirche befand sich wohl schon ursprünglich im Mittelpunkt, denn hinter demselben
bei c stand jener prachtvolle grose Sarkophag aus Porphyr, der erst in neuester Zeit unter
Pius VII hinweggenommen und in das vaticanische Museum gebracht wurde. Die vor
diesem Platze befindliche Zwischenweite der Säulen (Intercolumnium) ist gleich derjenigen
am Eingange und zu beiden Seiten, wohl um die Kreuzform herauszuheben, merklich
weiter und also auch etwas höher als die übrigen. Und ausserdem ist der Platz c noch

*) Les ödifices circulaires et les domes par Isabelle, Paria 1843.
 
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