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Humann, Carl; Puchstein, Otto
Reisen in Kleinasien und Nordsyrien: ausgeführt im Auftrage der Königlichen Preussischen Akademie der Wissenschaften (Text) — Berlin, 1890

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https://doi.org/10.11588/diglit.5242#0212
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206 ^ie zweite Reise nach dem Nemrud-dagh

Am nächsten Morgen Aufstieg zur Burg, ungemein steil über gefähr-
liche Schutthalden und haltloses Gerolle. Der Gipfel des Burgberges (1600 m),
von dem aus man eben noch den Tumulus auf dem Nemrud-dagh erblicken
kann, trägt die Reste eines mittelalterlichen Wartturmes; die übrigen Ruinen,
von denen nichts mit Bestimmtheit als antik erkannt werden konnte, be-
finden sich etwa 60 m tiefer auf dem Sattel des Berges. Eine byzantinische
Kirche, deren plump verzierte Fensternischen von dem Schekh als „surät"
(Bildwerk) angepriesen waren, und eine allerdings wegen ihrer Flächen-
ausdehnung von mindestens 10 000 qm bemerkenswerte Stützmauer oberhalb
derselben, welche der kurdische Führer gleichfalls als grofsartiges „surät"
anstaunte, sind wohl die wichtigsten Baureste der Burg. Die Photographien,
die ich aufgenommen hatte, gingen leider, vermutlich durch die Neugierde
des Führers, der, während ich den Gipfel erkletterte, die Kassetten unter-
suchte, zu Grunde. Die einzige erhaltene Aufnahme zeigt nur den steilen
Burgfelsen mit seinen ausgedehnten Schutthalden und läfst keinerlei Detail
erkennen.

Nach dem besonders für das Maultier mit dem photographischen Apparat
sehr schwierigen Abstieg um gh 20 Aufbruch von Perasch nach Gerger.
Der Weg führt 80 Minuten fast genau südwärts am linken Ufer des Baches,
wendet dann, einem engen Seitenthale folgend, nach Ostsüdost und später
steil ansteigend nach Südost, um den letzten grofsen Ausläufer des Nemrud-
dagh zu durchqueren, dessen Pafshöhe (1700 m) ich in 95 Minuten erreichte.
Nach 25 Minuten fast ebenen Weges auf der von Gazellen, Rebhühnern
und Wildtauben belebten Höhe steht man vor dem steilabfallenden Südost-
rande und übersieht den Euphrat bis weit hinauf gegen den Bibol-dagh,
dessen vielleicht vulkanisches Massiv von nun an zum Wahrzeichen der
Gegend wird. Beim Abstieg erblickt man schon nach 10 Minuten den
Spiegel eines kleinen düsteren Sees, des Kara- oder Gülük-göl, erreicht nach
80 Minuten das auch von Puchstein und Sester im Vorjahre passierte Dorf
Petirgö (vgl. oben S. 146) mit 20 kurdischen Häusern und nach 70 Minuten
das eben so grofse Müszirach (Mischrach, vgl. oben S. 128), dessen Ein-
wohner mit denen von Petirgö in angeblich schon hundertjähriger Feind-
schaft leben; wirklich sind beide Orte festungsartig angelegt und von Lehm-
mauern umgeben; in Müszirach haben auch die flachen Dächer der meisten
Häuser .eine niedere Brustwehr, wie dies völlig den Schilderungen kurdischer
Dörfer entspricht, die wir Xenophon und Moltke verdanken. Von hier aus
gelangt man immer fast genau nach Osten haltend, an den Dörfern Kyudisch,
Tschamyk und Seid-Mahmud vorbei in 3 Stunden nach Gerger (1000 m), dem
Hauptort der Gegend mit ungefähr 40 kurdischen und ebensoviel armenischen
Häusern. Über die Burg von Gerger zu berichten, überlasse ich Puchstein;
ich möchte nur angeben, dafs man mir mehrfach erzählte, das schwere mit
Bildern geschmückte bronzene Thor der Burg sei ebenso wie dasjenige
 
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