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Robert, Carl
Hallisches Winckelmannsprogramm (Band 16): Die Nekyia des Polygnot — Halle a. S., 1892

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https://doi.org/10.11588/diglit.6002#0037
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Die Riepenhausen, Goetlie, Welcker. 35

hierbei hat ihn ja insofern ein richtiges Gefühl geleitet, als diese Compositionsweise in der Tat ein
Ausläufer der Polygnotischen ist, aber in schematischer Erstarrung, daher nicht unmittelbar verwendbar
und zunächst notwendig irreführend. Böttiger (Ideen zur Archäologie der Malerei II 312 tf.)
und H. Meyer (Geschichte der bildenden Künste bei den Griechen II 138) betonen diese Anordnung
auf drei Linien, die sie sich streng parallel denken, noch entschiedener, und diese Vorstellung-
beherrscht durchaus die folgenden Besprechungen bis zu 0. Jahn.

Auch die Gebrüder Eiepenhausen wollen in ihrer zweiten berühmteren Reconstruction,5)
die nun auch die Nekyia umfasste, das Princip der drei horizontalen Linien befolgen, sind aber, da
es sich künstlerisch als undurchführbar erweist, gezwungen, einzelne Figuren, namentlich in der
Nekyia, zwischen die Reihen zu stellen.

Streng durchgeführt hat das Princip der drei Reihen auch im Bilde F. G. Welcker,
wozu der noch lebende jüngere Joh. Riepenhausen seine Hilfe lieh.6) Das Verlangen nach einer
klaren Symmetrie der Composition, die die Beziehung und Bedeutung der einzelnen Gruppen bestimmt
für das Auge hervortreten lässt, dasselbe Verlangen also, das Goethe empfand und K. 0. Müller
in seiner gedankenvollen Anzeige der Riepenhausenschen Entwürfe7) ausgesprochen hat, ist für
Welcker das leitende Motiv bei dieser Untersuchung gewesen, die Kekule mit Recht als eine
seiner schönsteil archäologischen Arbeiten bezeichnet. Wie er die Darstellung in horizontalem
Sinne in drei Reihen gliedert — man könnte fast von Friesen sprechen, da die Andeutung
des Terrains auf das Äusserste beschränkt ist und die Füsse der Figuren meist die horizontalen
Trennungslinien direct berühren, — so zerlegt er die Bildfläche durch imaginäre vertikale Linien in
sieben an Figurenzahl sehr ungleiche Gruppen, und ist nicht abgeneigt, dieser Siebenzahl symbolische
Bedeutung zuzuschreiben. Aber von dieser Spielerei abgesehen, steht Welckers Aufsatz durch die
Tiefe und Schönheit der Gedanken, die er dem alten Meister leiht, durch die Feinheit der
Beziehungen, die er zwischen den Gruppen findet, unmittelbar neben dem Goethes.

Der Reconstructionsversuch, den Watkiss Lloyd drei Jahre später mit Benutzung der
Welcker-Riepenhausenschen Figuren in dem Museum of classical anti.iuities I p. 103 ff. veröffentlicht
hat, unterscheidet sich von dem Welckerschen nur dadurch, dass die Trennung durch Verticallinien
aufgegeben ist, was es ermöglicht, einzelne Gruppen nach links oder rechts zu verschieben. Ausserdem ist
Tityos aus dem unteren in den oberen Streifen versetzt, Teiresias nicht aus der Erde aufsteigend, sondern
in ganzer Figur dargestellt und der Baum zur Befestigung von Phaidras Schaukel aus dem früheren
Reconstructionsversuch der Gebrüder Riepenhausen beibehalten. Die drei Friese bleiben bestehen.

Aber noch bevor Welcker seinen Reconstructionsversuch veröffentlichte, hatte ein junger
Archäologe sich mit Entschiedenheit gegen diese fast zum Dogma gewordene dreireihige Compositions-
weise gewandt, 0. Jahn/) Eine genaue Erwägung der Worte des Pausanias führte ihn zu der Ansicht,

") Erschienen 1826 unter dem Titel Peiutures de Polyguote ä Delphes dessinees et gravees apres la description

de Pausanias par F. et J. Riepenhausen.

*) In den Abhandlungen der Berliner Akademie 1847 (— Kleine Schriften V 62 ff.)

7) Göttinger gelehrte Anzeigen 1827 S. 1307 ff.

8) In den Kieler Studien I S. 81 ft'.
 
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