tusche auf. Große, erhaben ausgearbeitete Gestalten knien auf diesen Voluten, zueinander gewendet rahmen sie den
Tondo.
Der Paliotto zeichnet sich schon durch sein ikonographisches Programm aus. Er ist eines der reinsten Beispiele für
die Wiederaufnahme der »klassischen« Typologie des Mittelalters und zugleich für den gegenreformatorischen Geist
des Spätbarock in Florenz. Der Chronist gibt eine ausführliche dogmatische Erklärung. Der Leitgedanke des Pro-
gramms ist in den Worten des hl. Thomas von Aquin ausgedrückt, die in den Kartuschen stehen: NOVVM PASCHA
IN FiGVRis PRABSiGNATVR. Das Relief des Letzten Abendmahls bildet nicht nur das formale Zentrum, sondern auch
den Bedeutungsmittelpunkt der gesamten Dekoration. Christus ist im Augenblick der Konsekration des Brotes dar-
gestellt. Auf dieses »Novum Pascha«, das täglich am Altäre gefeiert wird, deuten die alttestamentlichen Darstellungen
der seitlichen Tondi und die begleitenden Gestalten voraus. Das Medaillon der Evangelienseite zeigt das Opfer
Abrahams, das der Epistelseite das Mannawunder. Den linken Tondo rahmen Moses mit dem (verlorenen) Schlan-
genstab und König Melchisedek mit einem Opfergefäß. Die Begleitfiguren des rechten Tondo sind Aaron in priester-
lichem Gewände mit den Schaubroten und ein Israelit mit einem Lamm in den Armen; dieser repräsentiert nach dem
Chronisten das jüdische Passahopfer, wird jedoch richtiger als opfernder Abel zu verstehen sein. Das ikonographische
Schema stellt somit einer neutestamentlichen Hauptszene zwei Historien des Alten Testamentes in kleinerem Format
gegenüber und fügt vier weitere Figuren der Eucharistie hinzu. Es ist das Prinzip der »Biblia Paupetum«. Foggini hat
die mittelalterliche Buchseite gleichsam in die Plastik übersetzt. War die Illustration der Armenbibel jedoch rein
didaktischer Art, so sind Ereignisse und Gestalten des Paliotto bildhafter Hinweis auf das reale Meßgeschehen am
Altar, sie gewinnen dadurch selbst erhöhte Realität *-9.
Das theologische Programm hat zugleich das formale System der Gliederung bestimmt. Die Gattung der metallenen
Antependien läßt sich bis in die ottonische Zeit zurückvetfolgen. Schon in ihnen kommt der eucharistische Charakter
stark zum Ausdruck. Aber in den spätmittelalterlichen Paliotti, von denen Florenz und Pistoia hervorragende Bei-
spiele bewahren, ist dieser liturgische Grundgedanke durch die mannigfachen erzählenden Szenen verdeckt worden. Die
Antependien des 17. Jahrhunderts - etwa Beispiele in Rom oder Siena- sind im wesentlichen dekorativ, sie beschränken
sich meist auf ornamentalen Schmuck. Auf dem bronzenen Paliotto des Ferdinando Tacca in S. Stefano nimmt da-
gegen ein figürliches Relief mit der Darstellung der Steinigung des Heiligen die gesamte Fläche ein. Foggini ging
jedoch auf die alte Dreiteilung zurück, vielleicht hat ihm das im Jahre 1600 entstandene Silberdossale des Gnaden-
altars der SS. Annunziata von Matteo Nigetti als Vorbild gedient. Ein Vergleich der beiden Stücke dieser Kirche ist
aufschlußreich. Nigetti war in erster Linie Baumeister: An seinem Entwurf tritt die architektonische Struktur deutlich
hervor. Foggini war Bildhauer: Einzelfiguren und szenische Reliefs sprechen bestimmend mit. Die figürlichen Ele-
mente verschmelzen mit der Dekoration, ja sie bilden in ihrer Gesamtheit das Ornament selbst. Bei allem Reichtum
der Einzelformen, der ein Kennzeichen des Horentinischen Spätbarock ist, geht der Sinnzusammenhang aber nicht
verloren. Die streng gewahrte Symmetrie - durch das Programm gefordert - wirkt auch formal als Stütze. Meister-
haft ist die Aufteilung der verschiedenen Reliefgrade: Die Medaillons sind flach gehalten, die begleitenden Einzel-
figuren treten beinahe vollrund aus der Fläche heraus; das Hauptrelief - bühnenmäßig wie ein plastisches Gemälde
in einen 1 $ Zentimeter tiefen Kastenraum hineinkomponiert - vermittelt zwischen den beiden seitlichen Extremen.
So entsteht ein Vor- und Zurückfluten, das der Dekoration ein besonderes Leben verleiht.
Der Figurenstil ist typisch für Foggini, er läßt sich wiederum als Weiterführung des römischen Hochbarock kenn-
zeichnen. Bei den vier knienden Gestalten denkt man an Skulpturen des Algardi oder Ferrata. Die mittlere Szene er-
innert an die gleiche Darstellung auf dem in Rom gearbeiteten Hochaltar von La Valletta, der drei Jahre nach dem
Florentiner Werk aufgestellt wurde *3°. Für Format und Stil der Medaillons war offenbar wiederum Algardis vergoldeter
Bronzetondo in Bologna vorbildlich. Von besonderem Interesse ist die Ornamentik. Wie die Ricordanzen berich-
ten, gehören die schmalen Seitenteile zum ursprünglichen Bestand. Sie waren ebenfalls in Silber geplant, bestehen
jedoch nur aus versilbertem Holz. Aus einer großen Kartusche wächst üppiger Akanthus hervor. Die Blätter enden
oben in zwei Lilien, der Impresa des Ordens. Der Chronist nennt das Ornament: »un rabesco allüso Romano nuovo«.
Diese Notiz - unter dem frischen Eindruck des soeben aufgestellten Werkes geschrieben - gibt uns eine Vorstellung
von der Wirkung des neuartigen Formenschatzes eines Foggini und bestätigt die Herkunft der Motive aus Rom. In
91
Tondo.
Der Paliotto zeichnet sich schon durch sein ikonographisches Programm aus. Er ist eines der reinsten Beispiele für
die Wiederaufnahme der »klassischen« Typologie des Mittelalters und zugleich für den gegenreformatorischen Geist
des Spätbarock in Florenz. Der Chronist gibt eine ausführliche dogmatische Erklärung. Der Leitgedanke des Pro-
gramms ist in den Worten des hl. Thomas von Aquin ausgedrückt, die in den Kartuschen stehen: NOVVM PASCHA
IN FiGVRis PRABSiGNATVR. Das Relief des Letzten Abendmahls bildet nicht nur das formale Zentrum, sondern auch
den Bedeutungsmittelpunkt der gesamten Dekoration. Christus ist im Augenblick der Konsekration des Brotes dar-
gestellt. Auf dieses »Novum Pascha«, das täglich am Altäre gefeiert wird, deuten die alttestamentlichen Darstellungen
der seitlichen Tondi und die begleitenden Gestalten voraus. Das Medaillon der Evangelienseite zeigt das Opfer
Abrahams, das der Epistelseite das Mannawunder. Den linken Tondo rahmen Moses mit dem (verlorenen) Schlan-
genstab und König Melchisedek mit einem Opfergefäß. Die Begleitfiguren des rechten Tondo sind Aaron in priester-
lichem Gewände mit den Schaubroten und ein Israelit mit einem Lamm in den Armen; dieser repräsentiert nach dem
Chronisten das jüdische Passahopfer, wird jedoch richtiger als opfernder Abel zu verstehen sein. Das ikonographische
Schema stellt somit einer neutestamentlichen Hauptszene zwei Historien des Alten Testamentes in kleinerem Format
gegenüber und fügt vier weitere Figuren der Eucharistie hinzu. Es ist das Prinzip der »Biblia Paupetum«. Foggini hat
die mittelalterliche Buchseite gleichsam in die Plastik übersetzt. War die Illustration der Armenbibel jedoch rein
didaktischer Art, so sind Ereignisse und Gestalten des Paliotto bildhafter Hinweis auf das reale Meßgeschehen am
Altar, sie gewinnen dadurch selbst erhöhte Realität *-9.
Das theologische Programm hat zugleich das formale System der Gliederung bestimmt. Die Gattung der metallenen
Antependien läßt sich bis in die ottonische Zeit zurückvetfolgen. Schon in ihnen kommt der eucharistische Charakter
stark zum Ausdruck. Aber in den spätmittelalterlichen Paliotti, von denen Florenz und Pistoia hervorragende Bei-
spiele bewahren, ist dieser liturgische Grundgedanke durch die mannigfachen erzählenden Szenen verdeckt worden. Die
Antependien des 17. Jahrhunderts - etwa Beispiele in Rom oder Siena- sind im wesentlichen dekorativ, sie beschränken
sich meist auf ornamentalen Schmuck. Auf dem bronzenen Paliotto des Ferdinando Tacca in S. Stefano nimmt da-
gegen ein figürliches Relief mit der Darstellung der Steinigung des Heiligen die gesamte Fläche ein. Foggini ging
jedoch auf die alte Dreiteilung zurück, vielleicht hat ihm das im Jahre 1600 entstandene Silberdossale des Gnaden-
altars der SS. Annunziata von Matteo Nigetti als Vorbild gedient. Ein Vergleich der beiden Stücke dieser Kirche ist
aufschlußreich. Nigetti war in erster Linie Baumeister: An seinem Entwurf tritt die architektonische Struktur deutlich
hervor. Foggini war Bildhauer: Einzelfiguren und szenische Reliefs sprechen bestimmend mit. Die figürlichen Ele-
mente verschmelzen mit der Dekoration, ja sie bilden in ihrer Gesamtheit das Ornament selbst. Bei allem Reichtum
der Einzelformen, der ein Kennzeichen des Horentinischen Spätbarock ist, geht der Sinnzusammenhang aber nicht
verloren. Die streng gewahrte Symmetrie - durch das Programm gefordert - wirkt auch formal als Stütze. Meister-
haft ist die Aufteilung der verschiedenen Reliefgrade: Die Medaillons sind flach gehalten, die begleitenden Einzel-
figuren treten beinahe vollrund aus der Fläche heraus; das Hauptrelief - bühnenmäßig wie ein plastisches Gemälde
in einen 1 $ Zentimeter tiefen Kastenraum hineinkomponiert - vermittelt zwischen den beiden seitlichen Extremen.
So entsteht ein Vor- und Zurückfluten, das der Dekoration ein besonderes Leben verleiht.
Der Figurenstil ist typisch für Foggini, er läßt sich wiederum als Weiterführung des römischen Hochbarock kenn-
zeichnen. Bei den vier knienden Gestalten denkt man an Skulpturen des Algardi oder Ferrata. Die mittlere Szene er-
innert an die gleiche Darstellung auf dem in Rom gearbeiteten Hochaltar von La Valletta, der drei Jahre nach dem
Florentiner Werk aufgestellt wurde *3°. Für Format und Stil der Medaillons war offenbar wiederum Algardis vergoldeter
Bronzetondo in Bologna vorbildlich. Von besonderem Interesse ist die Ornamentik. Wie die Ricordanzen berich-
ten, gehören die schmalen Seitenteile zum ursprünglichen Bestand. Sie waren ebenfalls in Silber geplant, bestehen
jedoch nur aus versilbertem Holz. Aus einer großen Kartusche wächst üppiger Akanthus hervor. Die Blätter enden
oben in zwei Lilien, der Impresa des Ordens. Der Chronist nennt das Ornament: »un rabesco allüso Romano nuovo«.
Diese Notiz - unter dem frischen Eindruck des soeben aufgestellten Werkes geschrieben - gibt uns eine Vorstellung
von der Wirkung des neuartigen Formenschatzes eines Foggini und bestätigt die Herkunft der Motive aus Rom. In
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