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DOMEHtCmNOALSDEKORATOR
Domenichino hat selbst gesagt, die Farbe sei ein Akzedenz, nicht Auge
sondern Intellekt bestimme sie; dagegen die Zeichnung, die sprechende
Linie gebe wahres Leben. Den Oberitalienern erschien er schon darin als
Flachfolger Raffaels, des unbestrittenen Meisters der Zeichnung, dem Kri-
tiker wie Malvasia eine „steinerne Manier" vorgeworfen und ihr die Grazie
und Weichheit Correggios und Tizians entgegengestellt haben. Alles be-
zieht sich bei Domenichino auf die Wiedergabe der Einzelfigur in klarer
ausdrucksvoller Körperlichkeit. Der Gegensatz zu führenden Altersgenossen
wie Lanfranco sprach sich trotz der Schulgemeinschaft beider am schroff-
sten auf dem Gebiet aus, das im Vordergründe des allgemeinen Interesses
stand, im großen Altarbild und in der monumentalen Raumdekoration. Schon
das Flauptwerk des neuen monumentalen Stils, Annibale Carraccis in archi-
tektonischer Geschlossenheit empfundene Galerie im Palazzo Farnese, war
gleichzeitig mit Gio. Albertis kühn erdachter, mit allen Mitteln des perspek-
tivischen Scheins arbeitender raumauflösender Gewölbemalerei in der Sala
Clementina des Vatikans entstanden. Guido Renis „Aurora" und Albanis
Gewölbedekoration im Palazzo Verospi hatten gegenüber der realistischen
Untersicht der Deckenmalereien Guercinos im Casino Ludovisi die klare bild-
mäßige Aufsicht der Renaissance vorgezogen, und neben Lanfrancos Kuppel,
in der Correggios idee der Raumauflösung noch gesteigert erschien, war
Domenichinos streng in Flächenbilder und rahmendes Schmuckwerk ge-
teilte Halbkuppe! des Chors von S. Andrea della Valle (1624—28) entstanden.
Das Mißfallen an diesen Malereien Domenichinos ist groß gewesen, man
hat sie abgelehnt, besonders im Hinblick auf Lanfrancos KuppeP). Man
verlangte mehr Illusion, man wollte bereits nichts mehr wissen von
der Einfachheit der „partimenti" und „quadri riportati", die über und neben-
einander als Flächenschmuck angeordnet waren. Man wollte an solchen
Stellen der Architektur mehr Luft und Licht, Auflösung des Raumes und
seine Dehnung in unbegrenzte Tiefen im Einklang mit der bewegten, aus
Schatten ins Licht sich steigernden Innenarchitektur. Domenichino aber
hatte dem modernen Illusionismus nur geringe Zugeständnisse gemacht
und hatte in seinem Respekt vor der architektonischen Geschlossenheit
auch hier eine klar bestimmte Begrenzung des Raumes geboten, eine Fülle
von in der Fläche bildmäßig ausgewogenen Einzelkompositionen, aber zu
wenig Unterordnung des Einzelnen unter den Gesamteindruck. Bei Malern
der großen Flächen wie Lanfranco und Pietro da Cortona war die Einzel-
h Bottari-Ticozzi, Raccoita di lettere suüa pittura . . . H, 46.
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Domenichino hat selbst gesagt, die Farbe sei ein Akzedenz, nicht Auge
sondern Intellekt bestimme sie; dagegen die Zeichnung, die sprechende
Linie gebe wahres Leben. Den Oberitalienern erschien er schon darin als
Flachfolger Raffaels, des unbestrittenen Meisters der Zeichnung, dem Kri-
tiker wie Malvasia eine „steinerne Manier" vorgeworfen und ihr die Grazie
und Weichheit Correggios und Tizians entgegengestellt haben. Alles be-
zieht sich bei Domenichino auf die Wiedergabe der Einzelfigur in klarer
ausdrucksvoller Körperlichkeit. Der Gegensatz zu führenden Altersgenossen
wie Lanfranco sprach sich trotz der Schulgemeinschaft beider am schroff-
sten auf dem Gebiet aus, das im Vordergründe des allgemeinen Interesses
stand, im großen Altarbild und in der monumentalen Raumdekoration. Schon
das Flauptwerk des neuen monumentalen Stils, Annibale Carraccis in archi-
tektonischer Geschlossenheit empfundene Galerie im Palazzo Farnese, war
gleichzeitig mit Gio. Albertis kühn erdachter, mit allen Mitteln des perspek-
tivischen Scheins arbeitender raumauflösender Gewölbemalerei in der Sala
Clementina des Vatikans entstanden. Guido Renis „Aurora" und Albanis
Gewölbedekoration im Palazzo Verospi hatten gegenüber der realistischen
Untersicht der Deckenmalereien Guercinos im Casino Ludovisi die klare bild-
mäßige Aufsicht der Renaissance vorgezogen, und neben Lanfrancos Kuppel,
in der Correggios idee der Raumauflösung noch gesteigert erschien, war
Domenichinos streng in Flächenbilder und rahmendes Schmuckwerk ge-
teilte Halbkuppe! des Chors von S. Andrea della Valle (1624—28) entstanden.
Das Mißfallen an diesen Malereien Domenichinos ist groß gewesen, man
hat sie abgelehnt, besonders im Hinblick auf Lanfrancos KuppeP). Man
verlangte mehr Illusion, man wollte bereits nichts mehr wissen von
der Einfachheit der „partimenti" und „quadri riportati", die über und neben-
einander als Flächenschmuck angeordnet waren. Man wollte an solchen
Stellen der Architektur mehr Luft und Licht, Auflösung des Raumes und
seine Dehnung in unbegrenzte Tiefen im Einklang mit der bewegten, aus
Schatten ins Licht sich steigernden Innenarchitektur. Domenichino aber
hatte dem modernen Illusionismus nur geringe Zugeständnisse gemacht
und hatte in seinem Respekt vor der architektonischen Geschlossenheit
auch hier eine klar bestimmte Begrenzung des Raumes geboten, eine Fülle
von in der Fläche bildmäßig ausgewogenen Einzelkompositionen, aber zu
wenig Unterordnung des Einzelnen unter den Gesamteindruck. Bei Malern
der großen Flächen wie Lanfranco und Pietro da Cortona war die Einzel-
h Bottari-Ticozzi, Raccoita di lettere suüa pittura . . . H, 46.