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Illustrierte Welt : vereinigt mit Buch für alle: ill. Familienzeitung — 33.1885

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Illustririe Welt.

471

dete Lienhardt Furrer's Keller seine edelsten Gaben, und
als am Abend die Alpensirnen erglühten, da spiegelte sich
idr rosiges Licht in lauter glücklich strahlenden Gesichtern,
von allen aber waren wohl diejenigen des Mr. Dörner
und des Fräulein von Hohenstein die glücklichsten, denn aus
ibnen schimmerte die aus Kummer und Schmerz wieder
erblühte Jugendliebe.

Franz Abi.
(Porträt S. 46d.)
Einer der bekanntesten und beliebtesten Liederkompornsten unserer
Tage, Franz Abt, ist am 31. März im Alter von 65 Jahren
gestorben. Es gibt keine musikalische deutsche Familie in der alten
und der neuen Welt, die Abt's Lieder nicht kennt, in deren Kreisen
sie nicht gesungen werden und das Gemüth ties bewegen: jedoch
nicht nur im deutschen Volke ist Abt der Komponist der Familie,
der Konzertsüle und Gesangvereine, im englischen und amerikani-
schen Hause ist er ebenso geliebt und geschätzt, ja selbst die
Franzosen singen ein Nationallied, «Robls Uranos», nach der
Melodie Les Abt'schen Chors: „Brüder, weihet Herz und Hand".
Der Sänger besaß eine große Schöpferkraft. Die Zahl seiner
deutschen Kompositionen beträgt über 3000, darunter sind 600
Männerchöre. Weltberühmt geworden sind Abt's Lieder: „Gute
Rächt, du mein herziges Kind" und „Wenn die Schwalben heim
wärt- zieh'n". Er komponirte märchenhaft leicht und schnell und
seine Arbeiten wurden ihm gut bezahlt.
1882 verlegte er seinen Wohnsitz nach Wiesbaden, und obgleich
während dieser ganzen Zeit, mitunter recht schwer, herzleidend,
komponirte er von früh bis spät für Londoner Verleger, welche
ihn mit Aufträgen überhäuften und die englischen Liedertexte gleich
mitschickten. Abt's Lager von Gedichtsammlungen, die ihm von
Verfassern und Verlegern zugekommen sind, übersteigt sicher den
größten Vorrath, den der bedeutendste Sortimenter in dieser
Gattung hält.
Geboren wurde Franz Abt am 22. Dezember 1819 als
Pfarrerssohn in Eilenburg, studirte ebenfalls Theologie in Leipzig,
wandte sich jedoch schon als Student von ihr ab und der Musik zu,
komponirte, dirigirte und wurde im Alter von 22 Jahren bereits
Hoftheaterkapellmeister in Bernburg, wo er am 19. Februar 1841
«Fra Tiavolo" als erste Oper leitete. In demselben Jahre aber
ging er als Theaterkapellmeister zur Direktorin Charlotte Birch-
Pfeiffer nach Zürich, von wo also seine musikalische Frage: „Ob
ich dich liebe, frage die Sterne" gerichtet war (an seine damals
schon heimgeführte Leipziger Jugendgeliebte, seine jetzige Wittwe)
und von wo „die Schwalben", seinen „Liederfrühling" ankündigend,
ausflogen. In Zürich entfaltete sich Franz Abt zum tüchtigen
Musiker und bedeutenden Liederkomponisten. Der „Braunschweiger
Aederkranz" sandte ihm sein erstes Ehrendiplom, deren er 260
h nterläßt von Gesangvereinen in Deutschland, Rußland, England,
Frankreich, Amerika und Australien.
Braunschweig aber zog ihn selbst auch 1852 an sich. Dort
blieb er volle 30 Jahre Hostapellmeister, bis er als solcher mit
vollem Gehalt pensionirt wurde. Orden, Verdienstkreuze und
Medaillen für Kunst und Wissenschaft besaß er in großer Menge;
M lagen bunt durcheinander in seinem Arbeitstisch, während die
Ehrendiplome, meist in künstlerischer Ausführung, die Wände des
Arbeitszimmers füllen, dessen Hauptmöbel der prächtige Flügel ist.
1855 wurde Abt an die Wiener Hofoper berufen, doch nahm er
mcht an; dagegen machte er wahre Triumphzüge durch die alte
und neue Welt und dirigirte in Riga, Petersburg, Moskau,
Paris, London, New-Pork, Philadelphia, Baltimore, Washington,
Buffalo, Cincinnati, Louisville, Boston, Evansville, St. Louis und
anderen Städten. Präsident Grant und Karl Schurz machten ihm
m Amerika ganz besonders die Honneurs. Sein „Schwalbenlied",
lur gemischten Chor eingerichtet, wurde unter seiner Direktion in
"oston von 20,000 Stimmen gesungen.
Im persönlichen Verkehr war Abt ein liebenswürdiger, be-
scheidener, stets heiterer Gesellschafter, ein getreuer Freund und ein
°kstner, ehrenhafter Charakter.

Klllül8 8rävota.
(Bild S. 47S.)
Wem wäre nicht schon von den ersten Schuljahren her die
k? Eeschichle Les Mucius Scävola bekannt, des heldenmüthigen
römischem Jünglings, der, im Jahre 507 vor Christus, um
P°rsenna, den Etruskerkönig, zu ermorden, welcher gegen die
Romer gezogen war und nun Rom belagerte, sich in das
endliche Lager schlich, in Folge einer Verwechslung aber einen
U Leiber statt des Königs nieüerstach und dann von den Feinden
MMTenommen und vor den König geführt wurde. Porsenna ver-
U es, den Jüngling durch allerlei Drohungen zu Geständnissen
die Pläne und Absichten der Römer zu bringen, Mucius
legte zur Antwort und als ein Zeichen, Laß er weder Qualen
M vH den Tod fürchte, seine rechte Hand in ein Feuer und ließ sie
MA? langsam verbrennen. Dann sagte er zu dem Könige, daß
MA m Aom noch dreihundert solcher Jünglinge befänden, die bereit
f Alles zu opfern, um den Feind des Vaterlandes zu er-
' darsenna schenkte dem tapfern Jüngling die Freiheit und
M Maß Frieden mit Rom. Mucius aber erhielt von da an Len
x- °'"anien Tcävola, Las heißt Linkhand. — Das Bild, welches
r unseren Lesern hier vorführen, stellt Len Augenblick dar, da
Marius seine Hand in's Feuer legt. Der Holzschnitt ist die Wieder-
E'ues meisterhaften Kupferstiches nach einem Gemälde von
das zu den kraftvollsten und bewegtesten Kompositionen
U ,großen niederländischen Meisters gehört und Len antiken Helden-
L »"st des alten Rom eindrucksvoll verkörpert.

Sinnsprüche.
Was ist die Ehe? Ein Vogelhaus,
Die Einen wollen ein, die Andern wollen aus.
ielbb^ ^lbst verzeihen wir viel, betrachten wir Andere wie uns
- ", so wird uns oft daniit geholfen werden.

Arbeitergruß.
Vom nahen Eisenwerke,
Berußt, mit schwerem Gang,
Rammt mir ein Mann entgegen
Den Wiesenpsad entlang.
Mit trotzig sinst'rer Miene,
Ivie mit sich selbst im Streit,
Greift er nach seiner Mütze —
Gewohnheit alter Zeit.
Es blickt dabei sein Auge
Mir musternd auf den Rock,
Und dann beim weiterschreiten
Schwingt er den Rnotenstock.
ahne, was im Herzen
Und was im Hirn ihm brennt:
„Das ist auch Einer," denkt er,
„Der nicht die Arbeit kennt.
„Lustwandelnd hier im Freien,
Verdaut er upp'ges Mahl,
Indeß wir darbend schmieden
Das Eisen und den Stahl.
„Er sucht den waldesschatten,
Da wir am Feuer steh'n
Und in dem heißen Brodem
Langsam zu Grunde geh'n.
„Der soll es noch erfahren,
wie es dem Menschen thut,
Muß er das Athmen zahlen
Mit seinem Schweiß und Blut!" —
Verziehen sei dir Alles,
Womit du schwer mich kränkst —
verziehen sei dir's gerne:
Du weißt nicht, was du denkst.
Du hast ja nie erfahren,
Des Geistes tiefe MLH'n,
Und ahnst nicht, wie die Schläfe
Mir heiß vom Denken glüh'n.
Du ahnst nicht, wie ich hämm're
Und feile Tag für Tag —
Und wie ich mich verblute
Mit jedem Herzensschlag!

Ein guter Pädagog.
Novelle
von
K. Sichler.
(Fortsetzung.«
Hätte nicht Disziplin, jene nothwendigste unsichtbare
Fessel in der freiheitathmenden Salzwassersphäre, sein ganzes
Wesen durchtränkt und stramni gehalten, Rüdiger würde,
ehe er seine Meldung vorbrachte, einige menschlich theil-
nehmende Worte an seinen Vorgesetzten gerichtet haben,
denn der Mann war offenbar krank, schwer krank. Tie
„ostindische Krankheit" hatte tiefe Linien in das gelbliche
Antlitz gegraben, unsagbare Schwermuth lagerte um Mund
und Äugen. Das matte Auge blitzte freilich auf, als die
kräftige Matrosengestalt, den engen Rahmen ausfüllend, in
der Kajütenthür erschien. „Bootsmann Rüdiger von Z.
meldet sich an Bord gekommen," sagte der Ankommende in
Diensthaltung.
„Gut, gut, daß ein tüchtiger deutscher Blutstropfen
unter die Bande kommt!" murmelte der Kapitän, indeß
seine Hand schreibend über die Schiffsliste glitt, dann legte
er die Feder weg und musterte den neuen Mann mit den
Augen. „Recht jung noch! Wie alt seid Ihr, Boots-
mann ?"
„Nächsten Monat einundzwanzig Jahre!" lautete die
Antwort.
„Hm, wie gefällt Euch der Triton?"
„Kapitän, nichts für ungut, der Triton thäte besser,
seine brüchigen Knochen außer Dienst zu stellen, er sieht
mir nicht aus, als ob er's noch oft mit 'ner reckt steifen
Kühlte aufnehmen könnte, und sollte er gar noch ein biscken
.rank' (oberlastig, der Schwerpunkt des Schiffes liegt zu
hoch) sein, dann werden wir was mit ihm zu kbun kriegen."
Der Kapitän nickte und stützte den Kopf in die Hand.
Es ist so, Bootsmann, doch wollen wir ihn sckon nach
Rangoon bringen. Habt ein scharfes Auge auf die Leute."
Rüdiger ging an Deck, sich das Schiff etwas näher an-
zusehen. Er hatte so seine eigenen Gedanken über das
Fahrzeug und dessen kranken Führer bekommen. Oben war
er nicht allein und er traute seinen Augen kaum. Gehörte
Ließ junge, lichte, lebensfrische Wesen wirklich auf die Planken
des Triton? Ein Weib, jung wie der Frühling und
lickt wie die Sonne, wandelte auf und ab. Sie trug ein
schlichtes weißes Kleid und auf dem blonden Haar einen
leichten Basthut. Mädchenhaft fragend schauten diese großen
Augen noch in die leuchtende Welt hinein, mit mütterlicher

Innigkeit jedoch auf das kleine Wesen, das sie schaukelnd
und liebkosend auf den Armen trug und welches dcm
Sümmchen nach zu urtheilen erst wenige Wochen zählen
konnte.
„Gehören Sie zur Besatzung?" fragte die junge Frau,
als sie Rüdiger's ansichtig wurde, und hielt in ihrem Spazier-
gang inne, als habe sie Lust, eine kleine Unterhaltung an-
zuknüpfcn. „Nanu?" fragte sich Rüdiger im Stillen, „das
scheint ja ein ganz verzwicktes Schiff zu sein, Fahrzeug und
Kapitän wurmstichig und dann so ein menschgewordener
Sonnenstrahl?" Laut sagte er: „Ja wohl, Madame, bin
seit heute Bootsmann des Triton."
„Ach, das ist gut," erwiederte sie, „ich freue mich über
jedes deutsche Gesicht in diesem bösen Lande, wo die Men-
schen krank und melancholisch werden vor lauter Sonnen-
schein und so viel fremdartige Leute unter der Schiffs-
mannschaft sind, daß einer Frau angst und bange werden
möchte.
. „Bleiben Sie noch ein Weilchen oben!" plauderte die
mädchenhafte Frau weiter, als Rüdiger sich ansckickte, nach
vorn seinen Jnspektionsgang weiter auszudehnen. „Mein
armer Kapitän hat sich wieder niederlegen müssen unv mein
kleiner Schelm hier bedarf der frischen Luft — sehen Sie
nur, wie er schon zu lachen versucht, und ist morgen doch
erst fünf Wochen alt. Das böse Ostindien! Schon nach
kurzer Zeit, als wir in diesen wunderbaren Gewässern
fuhren, faßte meinen armen Mann die Krankheit, und seit
dieser süße Liebling uns geschenkt wurde — das war noch
in Cambut, einige Tage ehe der Triton nach Makao unter
Segel ging — nimmt mich dieser ganz in Anspruch und
ich kann den Kranken nicht pflegen, wie ich möchte."
Rüdiger lehnte sich an den Mast und überließ sich dem
Zauber der Situaüon, die vielleicht durch ihre Außergewöhn-
lichkeit doppelt reizend erschien. Das holdselige Antlitz vor
ihm, von leisem Heimweh überschattet, dünkte ihm lieblicher
als Alles, was er je erschaut. Es mußte der Dame die
Aussprache gegen eine theilnehmende Seele wohl Bedürfniß
sein, und vermuthlich herrschte auch kein allzu strenges, viel-
leicht durck die Krankheit des Kapitäns etwas gelockertes
Regiment an Bord, denn sonst hätte etwas so Unerhörtes,
wie eine längere Unterhaltung zwischen der Gattin des
Schiffsführers und einem Manne von der Besatzung nicht
stattfinden können. Plötzlich hielt das blonde Weib mit
Reden inne und deutete auf einige Sampangs, die unter den
Ruderschlägen schiefäugiger Weiber sich rasch dem Triton
näherten.
„Dort kommen unsere Leute," sagte sie und reichte
Rüdiger mit offenem Blicke die Hand, „ich fürchte, ein fester
Arm thut uns noth, wollen Sie treu zu uns halten?" Er
hielt einen Moment die kleine, warme Frauenhand fest, und
durch diesen Händedruck zweier einsamen Menschenkinder
hatte der Triton einen Verbündeten erhalten, wie ihn
kein noch so hohes Handgeld hätte beschaffen können.
Die Mannschaft war an Bord bis auf einen Mann, er
ward als desertirt in der Liste gestrichen. Was Rüdiger
aber schlimmer dünkte als diese Verminderung — unter der
Mannschaft befanden sich jene beiden Menschen, der Franzose
und der Spanier, die im Dom unter frommen Uebungen
ein verheißungsvolles Plänchen besprachen.
„Jetzt heißt es aufgepaßt, alter Junge! Das Gesindel
führt nichts Gutes im Sinn; Rüdiger, mein Junge, halte
Augen und Ohren offen!"
Noch blies der Nordost-Monsun, der dem Triton sehr
zu Statten kommen konnte. Daher ward der Rest der
Ladung, Abwicklung der Hafenverbindlichkeiten möglickst
beschleunigt, und am Tage nach Ostern setzte das Schiff alle
Segel bei und segelte mit präckrigem Backstagswind gen
Süden in die chinesische See.
So war denn das Häuflein Menschen hinausgeschleudert
in die Einöde. Wenn es nicht zusammenhielt in Noth und
Tod, Einer für Alle und Alle für Einen, was war ihr
Schicksal?
Rüdigers Vermuthung traf ein. Nock war der Triton
kaum vier Tage unterwegs, als der Kapitän fick in die
Koje legen mußte mit den heftigsten Fieberanfällen und das
Kommando fiel dem Steuermann ausschließlich zu. Es
änderte sich dadurch nichts Wesentliches an Bord, doch wollte
es Rüdiger, der mit Argusaugen die bunt zusammengewürfelte
Mannsckaft überwackte, bedünken, als weckselten die beiden
Matrosen, denen sein Argwohn galt, geheime, verständniß-
volle Blicke mit einander. Mit weiser Vorsicht hatte er
Alles vermieden, was an Bord die Vermuthung aufbringen
könnte, er verstehe oder rede gar die französische Sprache.
Meist stumm oder nur Gleichgültiges redend, hatten die
Beargwöhnten in lässiger Verdrossenheit bisher ihren Dienst
verrichtet, sie arbeiteten nickt besser und nickt schlechter als
die Uebrigen, die außerdem noch eine wahre Musterkarte
menschlicher Rassen darboten: einige Chinesen und Malaien,
zu denen sich noch ein Sohn des sonnigen Griechenland
gesellte.
Seit der Kapitän krank lag, ging ein finsterer Geist
durck das Schiff. In stillem Jammer saß die junge Frau
an der Lagerstatt des Kranken, ihm mir sorglicher Treue
Wasserumschläge auf's Haupt legend, die doch so wenig Er-
quickung gewährten. Dann wieder mühte sie sich um ihr
Kindchen, schäkerte und koste mit ihm, indeß Helle Thränen
über ihre Wangen rollten. Nur selten sah man sie an
Deck, desto mehr konnte Rüdiger ihr Sein und Wesen
zwischen den Wänden der kleinen Kajüte beobachten, und
was er da an weiblicher Anmuth und zartsinniger Sorge
 
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