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Imago: Zeitschrift für Anwendung der Psychoanalyse auf die Geisteswissenschaften — 10.1924

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Heft 2 u. 3
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Rank, Beate: Zur Rolle der Frau in der Entwicklung der menschlichen Gesellschaft: eine vorläufige Mitteilung
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https://doi.org/10.11588/diglit.36527#0304
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292

Be ata Rank

liehen Herrschaft der Mutter, die über die erste menschliche Familie, d. h.
ihre Kinder herrschte, folgte die Urhorde des gestrengen Vaters, nach
dessen Beseitigung die Frau wieder die Macht an sich reißt. Da ist sie
aber nicht mehr nur das schützende mütterliche Wesen, sie hat inzwischen
einen Entwicklungsgang zurückgelegt [Vateridentifizierung, mit der die Auf-
richtung des Vaterideals zusammenfällt, mit dem dazugehörigen Penisneid,
der aus dem Bewältigungskampf herrührt, „Tabu der Virginität" und Haß]
und ist so zum Prototyp der Frau mit dem Penis geworden, die sich
jedesmal zwischen das alte Vaterrecht und die neue Sohnesherrschaft ein-
schiebt, ähnlich wie in der individuellen Entwicklung/ Die Umwandlung
der Mutter kommt auch den Anforderungen der Masse entgegen, da sie
als Weib = Mutter nur Kampf und Unfrieden stiften würde, denn wie
Freud sagt: „Das sexuelle Bedürfnis einigt nicht, es entzweit."^ Auch
in dieser Stellung entfacht sie, wenn auch später — die Begierde und
wird zum Kampfpreis der Brüder. Wir könnten aphoristisch sagen: Das
Weib ist nicht nur das Subjekt der Masse, sie wird auch zum Objekt
derselben.
Aus der Anbetung der gebärenden Weibesmutter entstanden die großen
mütterlichen Gottheiten^ Isis, Demeter, die mit dem Kult der Erde, die
den Alten als das Symbol des ewig befruchteten Mutterschoßes erschien,
eng verbunden sind, ferner die großen Liebesgöttinnen der späteren Periode,
wie Astarte, Aphrodite, die noch in ihrem hetärischen Charakter
eigentlich Vergötterungen der ewig gebärenden Mutter sind, die — der
Wunscherfüllung gemäß — allen Liebe gewährt. Die von Freud („Massen-
psychologie") aufgestellte Götterreihe: Muttergottheit —Heros = Vatergott
erscheint durch unsere Ausführungen bestätigt. In jedem Vaterkult sehen
wir noch die Nachwirkung der mütterlichen Anbetung. Auch der Tote-
mismus und das Totem selbst tragen außer den väterlichen Eigenschaften
noch mütterliche Züge, ist ja doch das Tier, wie Rank in seinem „Mythus
von der Geburt des Helden" nachgewiesen hat, ebenso Muttersymbol (alle
Helden werden von den Tieren gesäugt, wie es der typische Heldenroman
zeigt.) *

1) Vgl. die früher mitgeteilte Geschichte der Ptolemäer-Dynastie.
2) Totem und Tabu S. 19g.
g) Was Bachofen öfters hervorhebt.
4) Vgl. auch hiezu: Freud: Analyse der Phobie eines fünfjährigen Knaben (Ges.
Schriften Bd. VIII), wo das Pferd zugleich die schwangere Mutter und den gefürchteten
Vater repräsentiert.
 
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