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Imago: Zeitschrift für Anwendung der Psychoanalyse auf die Geisteswissenschaften — 10.1924

DOI issue:
Heft 2 u. 3
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Rank, Beate: Zur Rolle der Frau in der Entwicklung der menschlichen Gesellschaft: eine vorläufige Mitteilung
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https://doi.org/10.11588/diglit.36527#0305
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Zur Rolle der Frau in der Entwicklung der menschlichen Gesellschaft 2gg

Die mütterliche Vererbung des Totem ist, wie Freud anführt, die
ursprüngliche gewesen, die noch heute bei den primitiven Organi-
sationen besteht (S. igo). Dies läßt die Vermutung zu, daß ursprünglich
Totem auch mit Mutter identisch war. Der schützende Charakter des
Totems spricht dafür und der Glaube der Mitglieder eines Totemstammes,
sie stammten alle vom Totem selbst. Von hier aus wären vielleicht auch
die Arunthamythen zu verstehen. Von den Aruntha erzählt Frazer (wie
Freud in Totem und Tabu mitteilt), daß sie sich regelmäßig von ihrem
Totem genährt haben, was Frazer zu der Annahme bewog, die Aruntha-
stämme wären die primitivsten, die noch die ursprünglichen Sitten bei-
behalten hätten. Hieraus zieht er den Schluß, daß sich ursprünglich jeder
Totemclan ohne Einschränkung von seinem Totem genährt habe. Freud
aber erklärt im Gegenteil auf Grund Dürkheim scher und Lang scher
Arbeiten, die Arunthastämme waren die entwickeltsten Stämme Australiens
und ihre Mythen seien als in die Vergangenheit projizierte Wunsch-
phantasien zu verstehen. Fügen wir dem hinzu, daß diese Wunsch-
phantasien tatsächlich auf ein reales, urzeitliches Erlebnis aufgebaut sind,
so glauben wir zwischen der Frazerschen und Freudschen Deutung eine
Brücke geschlagen zu haben, die beide verbindet. Diese Annahme wagen
wir um so mehr, als bei der in allen Totemclans beibehaltenen feierlichen
Totemmahlzeit alle Mitglieder vom Totem essen, welche Zeremonie das
Band der Gemeinschaft, der Verwandtschaft zu dokumentieren und zu
stärken versucht. Wie Freud in der zitierten Arbeit ausführt, ist die
Stammesgemeinschaft (Hürs/h/?) das Band, welches die primitivsten Gesell-
schaften vereinigt. .AmsAip bedeutet einen Anteil haben an einer gemein-
samen Substanz. Er sagt darüber wörtlich: „Es ist dann natürlich, daß sie
nicht nur auf die Tatsache gegründet wird, daß man ein Teil von der
Substanz seiner Mutter ist, von der man geboren und mit deren Milch
man genährt wurde, sondern daß auch die Nahrung, die man späterhin
genießt und durch die man seinen Körper erneuert, Zrms/M/? erwerben und
bestärken kann." Wir bemerken hiezu, daß diese Auffassung nur so ent-
stehen konnte, daß das gefressene und diese Eigenschaften verleihende
Objekt, der Mutter gleichgesetzt wurde, d. h. mit ihr identisch erschiene.
Denn, wie wir anfangs bemerkt haben, ist das Identifizierungsphänomen
aus dieser Beziehung zur Mutter zu verstehen. In weiterer Verfolgung
des Gedankens erscheint auch das gefressene Vatertotem gleichzeitig als
Mutter, wie dies auch Röheim in seinem Berliner Kongreß vortrag
„Nach dem Tod des Urvaters" (Imago IX, 1) bemerkt. Es heißt dort:
 
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