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Imago: Zeitschrift für Anwendung der Psychoanalyse auf die Geisteswissenschaften — 10.1924

DOI Heft:
Heft 2 u. 3
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Jones, Ernest: Psychoanalyse und Anthropologie
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https://doi.org/10.11588/diglit.36527#0145
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IMAGO
ZEITSCHRIFT FÜR ANWENDUNG DER PSYCHO-
ANALYSE AUF DIE GEISTESWISSENSCHAFTEN

X. Band (1924) Ethnologisches Heft

Heft 2 u. 3

Psychoanalyse und Anthropologie
Von Dr. Ernest Jones (London)
Wenn ein auf bestimmtem Wissensgebiet Arbeitender den Forschern eines
fremden Arbeitsgebietes einige seiner Resultate vorlegt, in der Hoffnung,
daß ihre Anwendung auf neue Tatsachen von Nutzen und Interesse sein
könnte, so muß er dabei mit besonderer Vorsicht und Bescheidenheit ver-
fahren. Diese Zurückhaltung ist besonders notwendig, wenn das eigene
Tätigkeitsgebiet solche Besonderheiten zeigt wie die Psychoanalyse, die
darauf gefaßt sein muß, bei allen nicht mit ihr Vertrauten auf Unglauben
und Ablehnung zu stoßen. Jeder Eindringling, der es wagt, sich mit Vor-
schlägen in die Arbeit einer fremden Forschergruppe einzumengen, muß
auf eine instinktive, wenn auch höflich verhüllte Ablehnung gefaßt sein,
die sich nur verstärken kann, wenn seine Vorschläge so unerwünscht und
wenig schmeichelhaft sind, wie oft die Psychoanalyse.
Nichtsdestoweniger haben mich drei Überlegungen ermutigt, der Ein-
ladung unseres Präsidenten folgend, etwas über unsere Arbeit zu sagen
und auf die Bedeutung hinzuweisen, die sie nach meinem Dafürhalten für
die anthropologische Forschung hat. Ein Psychologe hat erstens ein gewisses
Anrecht, an solchen Studien teilzunehmen, da ja die seelischen Tatsachen,
die hier erforscht werden, einen Teil seines eigenen Gebietes ausmachen.
Er sollte im Grunde beim Beurteilen der Interpretation der seelischen
Phänomene, beim Einschätzen ihres Sinnes und ihrer Bedeutung ebensoviel
mitzureden haben wie der Sammler dieser Daten; daß er bisher von diesem
Recht so wenig Gebrauch gemacht hat, war eine Folge der Rückständigkeit
seiner eigenen Wissenschaft und nicht aus der Situation selbst abzuleiten.
 
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