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Imago: Zeitschrift für Anwendung der Psychoanalyse auf die Geisteswissenschaften — 10.1924

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Heft 4
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Sterba, Richard F.: Zur Analyse der Gotik
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https://doi.org/10.11588/diglit.36527#0373
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G O

ZEITSCHRIFT FÜR ANWENDUNG DER PSYCHO-
ANALYSE AUF DIE GEISTESWISSENSCHAFTEN

X. Baad (1924) Sonderheft: Bildende Kunst

Heft 4

Zur Analyse der Gotik
Von Dr. Richard Sterba (Wien)
Hrtvontät AacAtivarMher5 ZM AaZancm'en ver-
mag*." (Otto Rank, Der Künstler.)
Die Psychoanalyse, die auf so vielen Geistesgebieten für das Verständnis
bisher ungeklärter psychischer Phänomene von fruchtbringendster Be-
deutung war, vermag gerade über die künstlerischen Sublimierungsprodukte
die folgereichsten Aufschlüsse zu gehen, weil sie die Quellen der Triebkräfte
zu diesen kulturell so bedeutungsvollen Erzeugnissen aufgedeckt hat und
weil es ihr durch das Studium der Neurose und des Traumes möglich ist,
die Kenntnis der Entwicklung und Umbildung — des Schicksals — dieser
relativ einfachen, in steter Wiederholung auftauchenden primären Faktoren
des künstlerischen Gestaltungsdranges bis in das hohe Niveau des großen
Kunstwerks zu verfolgen.
Gerade die Gotik gab der psychologischen Forschung eine Reihe von
Rätseln; vor allem begriff man ihre Allgemeinheit nicht, ihre Allgültigkeit,
die von Frankreich bis gegen Rußland und vom Norden Deutschlands
und höher über die Alpenländer bis nach Venedig und tiefer nach Italien
zog. Man hätte die Berechtigung, sie mit einer Massenneurose zu ver-
gleichen, die die Völker durch zwei Jahrhunderte unter ihren Zwang
stellte ; dies um so mehr, als es auffällt, daß sie dabei tiefer in den breiten
Schichten des Volkes wurzelte, daß der einzelne in ihr weniger galt, als


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