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ganze Standhaftigkeit zusammen, und wagte es,
ihr dies unordentliche Leben ihrer Mutter, ihre
heftigen Gewissensbisse, und ihr klägliches Ende
(denn Lucette glaubte sie wäre eine Wayse) mit den
stärksten Farben zu schildern. Dies Gemählde
preßte ihr einen Strom von Thranen aus. Con-
stantia machte sich diese Rührung zu Nutze, um-
armte sie, und ließ sie schwören, daß sie der Tu-
gend beständig treu bleiben wolle. Lucetten fiel es
gar nicht schwer, diesen Schwur zu thun; denn
ihr Herz war rechtschaffen und empfindsam; und
dieser Schwur machte chrer unglücklichen Mutter
so viel Vergnügen!
Einige Tage daraus wagte sie es in Lucettens
Gegenwart einen jungen Menschen zu loben, von
dem sie bemerkt hatte, daß er verliebter, und folg-
lich furchtsamer "war, als alle übrigen die ihrer
Tochter aufwarteten. Er war aus einer ehrlichen
Familie, die sich aber weder durch hohen Rang,
noch durch Reichthum auszeichnete. Seine Ge-
fichtsbildung hatte Constantien für ihn eingenom-
men: Sie hatte ihn kennen zu lernen gesucht; und
da sie mit dem Erfolge ihrer Nachforschungen zu-
frieden war, hatte sie ihm einen freyen Zutritt bey
Lucetten verstärket. Sie entdeckte mit Vergnügen,
daß er bey ihrer lieben Untergebnen sehr wohl ge^
litten war; und endlich als sie glaubte, daß di
Sache weit genug gekommen sey, sagte sie zu ihr:
Lucette, endlich must du eine Wahl treffen. Zwey
Rebenbuhler streiten sich mit einander wer dich be-
» sitzen
 
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