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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 18.1907

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Schölermann, Wilhelm: Gedanken über bunte Häuser
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https://doi.org/10.11588/diglit.7501#0205
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INNEN-DEKORATION

mancher düstern Gasse Übernacht ein hinlänglich
freundliches Bild schaffen, vorausgesetzt, daß sie
nach einem vernünftigen, einheitlichen Plan be-
handelt würden. Durch richtig gewählte Anstriche
von Wandflächen und Fensterlaibungen kann ein
Straßenbild bald so verändert werden, daß nicht
nur einzelne Häuser in der Nähe und von der
Straßenfront gesehen, statt der lehmigen oder
stuckigen Öde aufheiternde Farbenkontraste ab-
gäben, sondern auch in der Entfernung, durch die
sich verschiebende Perspektive, zu harmonischen
»Farbenflecken« wirkungsvoll verschmelzen.

Ich denke dabei zunächst an Straßen, die
nicht ganz gerade laufen, wie sie namentlich in
den älteren Quartieren mittlerer und kleinerer
Städte vorkommen — wo das eine Haus etwas
vor, das andere etwas zurücktritt und die Biegung
der Häuserreihe wie von selbst zur farbigen Wir-
kung in die Ferne auffordert. Ich denke an manche
unserer rasch wachsenden Mittel- und Provinz-
städte, wie etwa Kiel, an alte winklige Universitäts-
städte, mit einem genius loci wie Jena, an ruhige,
freundlich träumende Residenzen wie Weimar oder
Darmstadt. — Angenommen, das Haus, in dem ich zu

wohnen verurteilt bin, wäre so scheußlich, daß ich
nur dankbar sein muß, wenn ich's nicht selber sehen
kann, sobald ich darin bin! Es wurde aus branstigen
oder erdpechfarbigen Backsteinen erdichtet und er-
richtet. Daran ist nichts mehr zu ändern. Das
Ziegelrot ist da. Wie dämpfe oder neutralisiere
ich es? Durch Gegensätze, mit Gegengewichten
der Koloristik. Die Fensterkreuze sollten zunächst
in frischem Weiß oder Grün erstrahlen, das Nach-
barhaus kann als Kontrast mal einen olivgrünen
oder perlgrauen »Uberrock« anziehen, soweit Putz-
flächen vorhanden sind. Das dritte mag gelb,
das vierte schokoladenbraun, das fünfte blau sein.
Ein blaues Haus? Schauderhaft! schreit der Ge-
vatter. Nur gemach, gut Gemüt, das ist gar nicht
so schauderhaft. Man braucht ja nicht gleich ein
grell gemeines Waschblau zu nehmen. Gibt es sonst
gar kein Blau, hellgrünlichblau, violett, oder grau-
blau? Wir müssen die Furcht vor der Farbe ab-
streifen. Sie erinnert an die Furcht vor dem
Humor und Witz. Denn Humor und »Kolor«
sind Wesensverwandte! Wir müssen auch wieder
den Mut haben, das vergessene, aus unerfindlichen
Gründen nicht erlaubte Blau in der Farbskala des
 
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