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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 20.1909

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Michel, Wilhelm: Flächen-Charakteristik
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https://doi.org/10.11588/diglit.7500#0455
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INNEN-DEKORATION

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ENTWURF: J. A. CAMPBELL.

SCHREIBTISCH FÜR EIN DAMEN-ZIMMER.

Freude ihre Form tragen und eher mit ihr prunken als
sie zu verstecken suchen. Die traditionelle orientalische
Bordüre mit ihren unersättlichen Wiederholungen des
Randstreifens ruft dem Ornament des Mittelfeldes ein
sehr energisches Halt zu. Und diese Energie wirkt
im Geiste des Beschauers ästhetische Lust. Am besten
ist es freilich, wenn schon der ornamentale Gedanke
des Mittelfeldes keine allzuhohen Ambitionen, kein so
starkes Ausdehnungsstreben zeigt, daß dieses Halt über-
haupt nötig wird. Weniger wäre in solchen Fällen oft
mehr. Das Streben nach »Größe« des ornamentalen
Gedankens, das Streben, große durchgehende Linien
über die zu schmückende Fläche zu führen, halte ich
für verfehlt. Man begegnet diesem
Streben in den Erzeugnissen des Jugend-
stiles besonders häufig, fast immer mit
dem Erfolg, daß dadurch keine wirk-
liche sprechende Gliederung der Fläche
zu Stande kommt. — Häufig weist der
Flächenschmuck des Jugendstiles auch
einen zweiten Fehler auf: den Mangel
jedes Gefühles für Flächenrhythmik.
Die Rhythmik der Flächendekoration soll
letzten Grundes von der Begrenzungs-
linie der Fläche bestimmt werden. Diese
Begrenzungslinie ist nicht einfach ein
Rahmen für das Ornament, sie ist ge-
wissermaßen der allererste und aller-
stärkste Anstoß für den ornamentalen
Gedanken, sie ist das primär Gegebene,
durch das die dekorative Linie erst in
Schwung kommt. Die ornamentale
Komposition muß die Begrenzungslinie
zur Freundin haben, sie muß ihren
Takt, ihr Tempo von ihr empfangen.
Gute Beispiele für die Wahrung der
Rechte der Begrenzungslinie haben wir
auf der Ausstellung München 1908
gesehen, am sprechendsten in einem

Falle, da es sich nicht um rein ornamen-
talen, sondern um figürlichen Flächen-
schmuck handelte. Ich meine die von
Adolf Münzer entworfenen Füllungen
der ovalen Felder im Modenraume von
Theodor Veil. Die charakteristischen
Punkte, die Energiequellen des Ovals
liegen in den beiden Brennpunkten;
und diese wurden vom Künstler stets in
höchst feinfühliger und sprechender Weise
betont. Das Grundschema der Kom-
position war stets dialogischer Art;
die beiden Brennpunkte schienen immer
ein Gepräch miteinander zu führen, so
deutlich standen sie in gegenseitiger
Beziehung. Die Begrenzungslinie be-
stimmte den Rhythmus der Komposition
so deutlich, daß man rein von dieser
aus zur ovalen Randlinie hätte gelangen
können. — Das allerwichtigste Erfor-
dernis des Flächenschmuckes aber ist
das, daß er die Fläche auch wirklich
als flach und eben erscheinen lasse.
Verführt durch das Beispiel der Malerei,
die auf einer ebenen Fläche dreidimen-
sionale Räumlichkeiten darstellt, hat auch die Flächen-
dekoration in neuerer Zeit häufig dreidimensionale Ge-
bilde zum Motiv genommen. Nun verstößt eine gewisse
Körperlichkeit nicht von vornherein gegen die Gesetze
des Flächenschmuckes. Aber es sind ihr doch sehr
enge Grenzen gesetzt, dergestalt, daß jede starke
Modellierung oder gar perspektivische Tiefenwirkung
die Einheit »Fläche« verletzt und mithin unstatthaft ist.
Lebhafte, energische Überschneidungen, die eo ipso ver-
schiedene, hintereinander gestaffelte Ebenen ergeben, wird
sich der künstlerische Flächenschmuck auch bei sonst
flacher Modellierung der Gegenstände versagen müssen.
— Mit unübertrefflichem Takte haben so beispielsweise

ENTWURF: L A. CAMPBELL. SCHREIBTISCH. AUSF.: A. PÖSSENBACHER—MÜNCHEN.
 
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