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Internationales Kunst- und Auktions-Haus <Berlin> [Hrsg.]
Sammlung Joe Hloucha, Prag: Ostasien, Ozeanien, Afrika, Japanische Graphik ; [3. und 4. Dezember 1930] — Berlin, 1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.8737#0008
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sind. Vor einigen Jahren erschien ein amüsantes Buch, das den „Kitsch" in seinen
verschiedenen Erscheinungsformen ironisierte und brandmarkte. Da wurde denn auch,
bei aller Anerkennung bedeutenderer Stücke, der Respekt lächerlich gemacht, mit dem
man oft genug irgendeine schmucklose Kalebasse mit Ritzzeichnungen aus Negerhand
anzublicken pflegt. Man müsse, hieß es, doch auch hier Qualitäten unterscheiden. Einer
unserer bedeutendsten Berliner Kunstkritiker sagte mir dazu: „Ich finde jedes einzelne
Stück wirklich originaler primitiver Arbeit so beachtenswert, so denkwürdig, daß ich
auch über das bescheidenste nicht hinwegsehen kann." Ein wahres Wort; denn nur zu
häufig wird vergessen, daß, wenn einmal die Echtheitsprobe positiv ausgefallen ist, in
jedem Falle ein Stück aus einer Kultur vor uns liegt, die hinter der unseren um Jahr-
zehntausende zurückgeblieben, die außerdem — und das ist die Hauptsache —
unrettbar binnen kurzem dem Untergange geweiht ist, wenn sie überhaupt heute noch
besteht. Noch vor dreißig Jahren gab es z. B. Tausende von Feuerländern, — heute
zählen sie in einem Stamme kaum noch hundert. In der Südsee sterben gerade die
edelsten Rassen wie die Fliegen dahin, ihre urtümliche Kultur (aus der die Sammlung
Hloucha u.a. die wundervolle Monumentalfigur von den Markesas-Inseln enthält) ist
längst entschwunden. Ein Tag ist hier wie tausend Jahre, könnte man in Um-
kehrung jenes bekannten Wortes mit Recht ausrufen, wenn man sieht, wie die Kulturen
der farbigen Eingeborenen, auch im glücklicheren Afrika, das dem Aussterben nicht
geweiht ist, zum größten Teil in wenigen Jahren zugrunde gegangen sind, zum kleineren
das völlige Erlöschen noch jetzt erleben. Es ist eine stumme Tragödie, die das Schuld-
konto der europäischen Zivilisation schwer belastet. Daß der Götzen- und Zauber-
glauben der Eingeborenen schwand, wollen wir nicht bedauern, wohl aber, daß die
Kunstfertigkeit der Hand durch den Import europäischer Hilfsmittel, billiger Geräte
und Stoffe, überflüssig wurde; noch mehr, daß der Geschmack der Eingeborenen durch
den Anblick billigen europäischen Plunders verdorben ward. Um so kostbarer werden
uns von Tag zu Tag die relativ wenigen beglaubigten echten Schöpfungen der Ein-
geborenen an Schnitzereien, Flechtwerk, Metallarbeiten. Eine Holzskulptur aus dem
Urwalde Kameruns, — das ist, wenn man die Höhe der Kulturen vergleicht, etwa das
Gegenstück zu einer Plastik aus dem eisenzeitlichen Stadium der europäischen Vor-
geschichte, also Jahrtausende vor unserer Epoche! Eine Plastik aus Neuguinea, wo
noch Stämme leben, die nie einen Weißen zu Gesicht bekommen haben, — das ist wie
ein Werk aus der europäischen Steinzeit! Man sieht, wie unsagbar töricht es ist, wenn
heute zuweilen vor afrikanischen — oder Südseestücken gefragt wird: „Ist das alt?"
Die Frage muß richtig lauten: „Ist das eine Originalarbeit der Eingeborenenkultur oder
ist sie schon unter europäischem Einfluß bzw. mit europäischen Werkzeugen gefertigt ?"
Darauf allein kommt es an, alle anderen Alterskriterien sind dilettantisch. Selbstver-
ständlich lassen sich in manchen Gebieten innerhalb der echten, urwüchsigen Stücke
ältere von absolut jüngeren unterscheiden. Einen Wertunterschied wird bei qualitativer
Gleichheit kein Verständiger machen. Zu erkennen aber, wo etwa Originalstücke erst
in neuerer Zeit für den Export kopiert sind, das ist freilich Sache des Experten. Nun

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