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Ippel, Albert; Schubring, Paul
Neapel — Leipzig: E.A. Seemann, 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.55698#0013
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In breiten Strömen hinflutendes Licht auf dem mächtigen
Golf, in blauer Ferne da weit draußen Capri, von zartem
Dunst umhüllte Höhen, die das gleißende Wasser säumen,
nah sich auftürmend der Vesuv, und heißer blauer Himmel.
So taucht Neapel in der Erinnerung empor, so liegt sein Bild
leuchtend in der Seele. Doch wenn das Auge die ganze Herrlich-
keit von neuem umfassen kann, so fühlt es sich immer wieder
überwältigt von der in verschwenderischer Fülle hingebreiteten
Pracht.
Nirgend genießt man dies volle, schwelgerische Übermaß von
Schönheit besser als von jenem engen, über hoher Mauer schwe-
benden Balkon des Belvedere in San Martino. Dort hinauf sollte
jeder gleich am ersten Morgen und sich mit der Glut dieses be-
rauschenden Wunderblicks durchtränken. Schon beim Eintritt in
San Martino erlebt man die erste Überraschung. Wie der Bug eines
Riesenschiffes kommt die mächtige dunkle Ecke von San Elmo
schräg über die weißblendende Bogenarchitektur in den blauen
Himmel hineingesegelt. Dann der schöne zweite Hof, ein Gang
durch helle Museumsräume, und im letzten Zimmer dann das Bel-
vedere.
Mit einem Blick hat man das ganze Schauspiel. Da liegt der
flutende Golf in den köstlichsten Rahmen gefaßt, frischer Seewind
dehnt die Brust, Unendlichkeit des Horizontes weitet die Seele.
Einen Triumph von Schönheit feierte hier die herrlich-heilige
Mutter Erde. Ein Ganzes ist dies Panorama, wie nur ein allervoll-
kommenstes Werk der Kunst. Überläßt sich das Auge nur willig der
hinschmelzenden Süße von Ufern und Bergen, so fühlt es sich aufs
wunderbarste von der zauberischen Gewalt zusammenströmender
Linien gefangen. Es gleitet zur Rechten den sanften Hang des lieb-
lich begrünten Posilipp hinab bis zum Meer, aus dem weit hinten
Ischia aufsteigt, und ruht hier auf der leuchtenden Breite der Bocca
Grande. In entsprechender Schräge steigt links Capri empor: Ana-
capri schwingt sich wie ein hoher Giebel mit zwei Eckakroterien
mächtig in die Höhe, und wie ein Feuerwerk brennt der Umriß
weiterhin in kühnen Sprüngen nach links ab, um in steilemSturz ins
Meer zu greifen. Aber jenseits der Bocca Piccola steigt abermals
in derselben sanften Lehne die Punta Campanella aus dem Wasser,
zu der sich in reicher und kräftiger, aber lieblicher Bewegtheit
Neapel. 1
 
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