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Ippel, Albert; Schubring, Paul
Neapel — Leipzig: E.A. Seemann, 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.55698#0208
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196 DER VESUV AUSBRUCH 1631

daß am meisten Anklang die Idee findet: man solle Januarius hoch
oben am Kraterrande selbst eine Kirche bauen. Als der Zug nun
endlich an der Porta del Carmine anlangt, ist man in der Stimmung,
sofort das Wunderbarste verwirklicht zu sehen. Der Erzbischof hebt
das Blutfläschchen empor, hebt es dem flammenspeienden Berg
entgegen und beschreibt mit ihm ein Kreuz; und es genügt der auf-
geregten Phantasie vollständig, daß auf ein paar Augenblicke die
Sonne hervortritt, der Donner leiser rollt und die Aschenwolke sich
senkt, als ob sie ,dem Herrn des Berges1 ihre Demut anzeigen wolle.
Ziemlich getröstet und ruhiger kehrt man im Abenddunkel zu-
rück; der Ausbruch, der noch keineswegs nachgelassen, erscheint
nach einem Bericht dem Volke jetzt wie ein prächtiges Feuerwerk
mit Kanonensalven zu Ehren des triumphierenden San Gennaro.
Die gerührte Stimmung benützen die Väter der Gesellschaft Jesu,
um auf den freien Plätzen ihre Reden zu halten und den Massen
kräftig ihre Sündhaftigkeit zu Gemüte zu führen: ,Nicht immer wird
der Heilige mit seinem Blute helfen wollen. Januarius, der den
Himmel sooft zu eueren Gunsten aufgehellt hat, kann auch selber
Stürme erregen.“
Es wäre unnatürlich, wenn die hochgradige Aufregung in dieser
einen Eruption ihren Ablauf gefunden hätte. In der Nacht wächst
sie wieder in bedenklichem Maße an, besonders genährt durch die
Bauern, die mit den verbrannten Leichen, und durch die Mönche,
die rasch bei dieser Gelegenheit, jeder für seinen Heiligen, Propa-
ganda machen. Man kann ja heute nicht Helfer genug sein, denkt
man, und schleppt die Glassärge aus den Kirchen; größere oder
kleinere Gruppen schließen sich an, und so bewegen sich allerhand
Prozessionen kreuz und quer durch die Gassen, während der Vesuv
die Beleuchtung umsonst dazu hergibt.
Diesem Unwesen macht schon am nächsten Tage ein Erlaß des
Erzbischofs an die Geistlichkeit ein Ende; und wiederum zwei Tage
später verbietet man von seifen der Obrigkeit die nächtlichen Um-
gänge überhaupt. Man hat nämlich bemerkt, daß sich an ihnen mit
besonderem Eifer die Frauen beteiligen, die man doch sonst, ihre
Ehrbarkeit zu schützen, so streng im Hause hält, und man fürchtet
nicht ohne Grund, daß sie unter dem Scheine der Frömmigkeit der
Lust zum Abenteuern nachhängen. Überhaupt haben jetzt die Be-
hörden alle Hände voll zu tun, um wieder Ordnung nach Neapel zu
 
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