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Jäger, Hermann
Gartenkunst und Gärten sonst und jetzt: Handbuch für Gärtner, Architekten und Liebhaber — Berlin, 1888

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https://doi.org/10.11588/diglit.20105#0283
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Die Gärten im französischen Stil.

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und von Lustplätzen unterbrochenen Walch welcher meist aus dünnbelaubten Birten bestehend
allerdings keinen Vergleich mit solchen Parkwäldern in südlicheren Gegendcn aushalten
kann. Peterhof hatz wie Marly, zahlreiche Gartenschlößchen im Garten zerstreut. Nach
Le Blond hat ein holländischer Gärtner in Peterhof Veränderungen in der kleinlichen
Manier seines Volkes gemachtz aber im großen Ganzen ist die Grundform nicht abgeändert
worden. Jn neuerer Zeit, wo Peterhof selten zum Aufenthalte des Kaiserhoss dientz sind
die entsernteren Partien, wohin das schaulustige Publikum uicht kommt, etwas ver-
wildert. Die Taxushecken nnd Figuren der ersten Anlage erfroren im ersten Winter und
mußten durch Fichten ersetzt werden. Da man aber diese seit langer Zeit nicht regelmäßig
beschnitten hatz so sind Bäume daraus hervorgewachsen, welche traurig über die halbdürren
Hecken hinabsehen. Katharina II. ließ eins der künstlichen Parterre nach englischer Art
verändern und mit Rasen bekleiden, sand überhaupt wenig Geschmack an den verkünstelten
Anlagen und ging bald zu den Neuerungen im landschaftlichen Stile über, womit sie sich
sogar persönlich beschäftigte; ihr eigenes Werk war ein Stück Park nach der Seite der
Villengärten bei Peterhos. Die Ausführung dieser Anlage besorgte der englische Gärtner
Meader. Fig. 127 zeigt den Plan des Hauptgartens von Peterhof.

Jn Polen beschränkt sich die Ginführung der französischen Gärten auf Warschan
und die nächste Umgebnng. Obschon Anfänge vorhanden waren, so datieren die wichtigeren
Gärten doch erst aus der Zeit der sächsischen Könige. Diese entfalteten den Prnnk, welcher
den Dresdener Hos auszeichnete, anch in Warschau. Die erste und größte Anlage war
der „Sächsische Garten" (Ogrod-Saski), von August dem Starken angelegt. Er besteht,
seiner kleinen Zierraten entkleidet und in das Landschaftliche übergeführt, uoch heute; man
hat aber die Alleen beibehalten. Der Garten von Lazienki, früher ein Tiergarten mit zahl-
reichen versnmpften Kanälen, wurde nie nach dem dafür ausgearbeiteten französischen Plane
ausgeführt. Merkwürdig darau ist das vom König Stauislaus erbaute wunderbare Wasser-
schloß im römischen Stil und der darnm angelegte kunstvolle Garten, der aber so abwcichend
vom sranzösischen Stil war, daß man ihn kaum dazu zählen konnte. Anf dem künstlichen
See, aus welchem fich das Säulenschloß erhebt, und durch dessen Bogen Schiffe fahren
können, wurden theatralifche Seegesechte bei glänzender Beleuchtung, wie auf den altrömischen
Naumachien aufgeführt, und es war für die bevorzugten Zuschauer ein großes Amphitheater
von Stein aufgeführt. — Nach einigen Gemälden des venetianer Malers Canaletto,
welche im Schlosse von Warschau aufbewahrt sind (oder waren?), muß der Garten des
Grafen Stanislaus Potocki, eiuige Meilen von Warschau, ein wasserreicher Garten mit
vielen Statuen, sehr prächtig gewescn sein. Es scheint, daß er erst um die Milte des
18. Jahrhunderts angelegt worden ist.

Am Schlusse dieses Abschnittes wollen wir noch der Schweiz gedenken. Jetzt so reich
an schönen Villen- und Penfionsgärten im landschaftlichen Stil, war diefes Land zur Zeit
der in Rede stehenden Periode sehr arm an Prunkgärten. Nur am Genfersee gab es
einige Landhausgärten, und auch diese waren klein, wären nicht des Gedenkens wert, wenn
nicht der Name Voltaire damit verknüpft wäre. Voltaires Landhäuser „Les Delices" und
zu Ferney sind von Reisenden viel besucht und viel beschrieben worden. Der berühmte
Dichter hatte an Friedrich des Großen Hofe in Sanssouci uud später in Schwetzingen
Geschmack an Gärten gesunden und suchte das dort Gesehene, den Verhältnissen angepaßt,
in seiner Weise nachzuahmen. Schattige Laubengänge wechselten mit Rasenplätzen und
 
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