Geehrte Versammlung!
Nur mit Zagen nehme ich von diesem Lehrstuhl Besitz
— ohne dass ich mit dieser Erklärung jene Milde des
Urtheils herausfordern möchte, die gern Muthlosen oder
Bescheidenen gewährt wird. Doch Anton Springer war
mein Vorgänger und er war zugleich der Erste, der die
Kunstgeschichte an dieser Universität zu lehren berufen
ward. Was aber die Universität in Anton Springer besass,
ist lebendig in Ihrer Aller Gedächtniss. Kein Lehrer nach
der Schablone war er, kein Gelehrter auf wohl abgezirkel-
tem Gebiet: eine geniale, mächtige Persönlichkeit stand
hinter dem Lehrer und dem Gelehrten. In ihm vereinte
sich, was so selten sich zusammenfindet: die hinreissende
Beredsamkeit des Bekenners und die Nüchternheit, die
tiefdringende Kritik des echten Forschers, der keine Er-
kenntniss mittheilt, ohne ihre Stichhaltigkeit auf der Gold-
wage gewogen zu haben. In ihm war auch Allseitigkeit
und Specialismus in harmonischer Weise vereinigt. Wie
kein Zweiter seines Faches hat er das weitgedehnte kunst-
geschichtliche Gebiet und darüber hinaus alle geschicht-
lichen Grenzgebiete in des Wortes vollem Sinne beherrscht
und die schwersten Räthselfragen der Kunstgeschichte des
hohen Mittelalters hat er mit so sicherer Hand der Lösung
zugeführt, dass seine Untersuchungen dieser Art zu Muster-
Nur mit Zagen nehme ich von diesem Lehrstuhl Besitz
— ohne dass ich mit dieser Erklärung jene Milde des
Urtheils herausfordern möchte, die gern Muthlosen oder
Bescheidenen gewährt wird. Doch Anton Springer war
mein Vorgänger und er war zugleich der Erste, der die
Kunstgeschichte an dieser Universität zu lehren berufen
ward. Was aber die Universität in Anton Springer besass,
ist lebendig in Ihrer Aller Gedächtniss. Kein Lehrer nach
der Schablone war er, kein Gelehrter auf wohl abgezirkel-
tem Gebiet: eine geniale, mächtige Persönlichkeit stand
hinter dem Lehrer und dem Gelehrten. In ihm vereinte
sich, was so selten sich zusammenfindet: die hinreissende
Beredsamkeit des Bekenners und die Nüchternheit, die
tiefdringende Kritik des echten Forschers, der keine Er-
kenntniss mittheilt, ohne ihre Stichhaltigkeit auf der Gold-
wage gewogen zu haben. In ihm war auch Allseitigkeit
und Specialismus in harmonischer Weise vereinigt. Wie
kein Zweiter seines Faches hat er das weitgedehnte kunst-
geschichtliche Gebiet und darüber hinaus alle geschicht-
lichen Grenzgebiete in des Wortes vollem Sinne beherrscht
und die schwersten Räthselfragen der Kunstgeschichte des
hohen Mittelalters hat er mit so sicherer Hand der Lösung
zugeführt, dass seine Untersuchungen dieser Art zu Muster-