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II. Grutt'vzüge zm Vorschttle
iiial gegen die erste aller baulichen Bedingungen gesündigt werden, dafi
die gewählte Form dem verwendeten Material gemäß
sein soll.
Gesetzt, man verwendete bei einem Bauwerke zu dem Unterbau Hau-
steine (Quadern), zu dem oberen Stockwerke gebrannte Mauersteine, uud
zu dem Bekrönungsgesimse Metallguß, so wird es ganz in der Natur der
Sache liegen, durch die gewählte Form sogleich das Material erscheinen zu
lassen, mit welchem diese einzelncn Theile erbaut sind, und Jedermann würde
es gewiß für völlig unklug halten, wenn man dcn Quaderbau als einen
eisernen, den Mauersteinbau darüber als einen Quaderbau, und das eiserne
Gesims als von Mauersteinen zusammengesügt in der äußeren Form dar--
stellen wollte, da hierzu nebenbei gar keine innere Nothwendigkeit vorhan-
den wäre.
UeberdieS würde das Gebäude durch das klare Hinstellen des ge-
wählten Materials nur an Naturgemäßheit, folglich an Schöuheit ge-
winnen. —
Nichtsdestoweniger hat die Begierde, mit geringen Mitteln große
Gebäude aufzuführen, zu allen Zeiten das Maskiren in der Baukunst be-
fördert. Wir wissen, daß z. B. der Kern der ägyptischen Pyramiden von
Mauersteinen, ja auch von Lehmsteincn erbaut und das Aeußere nur mit
Granitquadern bekleidet wurde. Griechische und römische Ruinen zeigen
als Kern der Mauer meistentheils ein geringeres Material, welches durch
eine kostbarere äußere Bekleidung versteckt wurde, und nur die Gebäude
aus den ersten Zeiten der Entwickelung eines jeden Baustyles zeigen un-
verholen das Material, aus welcheni sie bestehen.
Keine Zeit jedoch hat sich im Maskiren mehr überboten, als die
jüngst vergangene und zum Theil auch noch die jetzige. Vermöge der
akademischen Lehren, daß nur der Säulenbau den Namen einer Baukunst
verdiene, bestrebte man sich überall, auch wo man das dazu geeignete Ma-
terial nicht besaß oder nicht bezahlen konnte und wollte, diese gepriesenen
Formen auf irgend eine Art so wohlfeil als möglich darzustellen. Man
nahm dazu gebrannte Mauersteine und überzog sie mit Mörtel, und ver-
wendete dazu eine Unsumme von Eisenwerk, um nur dem Ganzen eine
mögliche Haltung zu geben, obgleich die wirkliche Festigkeit des Schnitt-
fteinbaues dadurch nie erreicht wurve, und nach Verlauf weniger Jahre
der erborgte Putz seine Nichtigkeit öffentlich zur Schau trug. Hätte man
für dasselbe Geld einen Mauersteinbau so aufgeführt, daß man das Mate-
rial seiner Natur gemäß verwendete, so würden wir Monumente besitzen,
wie sie die Antike und das Mittelalter aufzuweisen hat.
II. Grutt'vzüge zm Vorschttle
iiial gegen die erste aller baulichen Bedingungen gesündigt werden, dafi
die gewählte Form dem verwendeten Material gemäß
sein soll.
Gesetzt, man verwendete bei einem Bauwerke zu dem Unterbau Hau-
steine (Quadern), zu dem oberen Stockwerke gebrannte Mauersteine, uud
zu dem Bekrönungsgesimse Metallguß, so wird es ganz in der Natur der
Sache liegen, durch die gewählte Form sogleich das Material erscheinen zu
lassen, mit welchem diese einzelncn Theile erbaut sind, und Jedermann würde
es gewiß für völlig unklug halten, wenn man dcn Quaderbau als einen
eisernen, den Mauersteinbau darüber als einen Quaderbau, und das eiserne
Gesims als von Mauersteinen zusammengesügt in der äußeren Form dar--
stellen wollte, da hierzu nebenbei gar keine innere Nothwendigkeit vorhan-
den wäre.
UeberdieS würde das Gebäude durch das klare Hinstellen des ge-
wählten Materials nur an Naturgemäßheit, folglich an Schöuheit ge-
winnen. —
Nichtsdestoweniger hat die Begierde, mit geringen Mitteln große
Gebäude aufzuführen, zu allen Zeiten das Maskiren in der Baukunst be-
fördert. Wir wissen, daß z. B. der Kern der ägyptischen Pyramiden von
Mauersteinen, ja auch von Lehmsteincn erbaut und das Aeußere nur mit
Granitquadern bekleidet wurde. Griechische und römische Ruinen zeigen
als Kern der Mauer meistentheils ein geringeres Material, welches durch
eine kostbarere äußere Bekleidung versteckt wurde, und nur die Gebäude
aus den ersten Zeiten der Entwickelung eines jeden Baustyles zeigen un-
verholen das Material, aus welcheni sie bestehen.
Keine Zeit jedoch hat sich im Maskiren mehr überboten, als die
jüngst vergangene und zum Theil auch noch die jetzige. Vermöge der
akademischen Lehren, daß nur der Säulenbau den Namen einer Baukunst
verdiene, bestrebte man sich überall, auch wo man das dazu geeignete Ma-
terial nicht besaß oder nicht bezahlen konnte und wollte, diese gepriesenen
Formen auf irgend eine Art so wohlfeil als möglich darzustellen. Man
nahm dazu gebrannte Mauersteine und überzog sie mit Mörtel, und ver-
wendete dazu eine Unsumme von Eisenwerk, um nur dem Ganzen eine
mögliche Haltung zu geben, obgleich die wirkliche Festigkeit des Schnitt-
fteinbaues dadurch nie erreicht wurve, und nach Verlauf weniger Jahre
der erborgte Putz seine Nichtigkeit öffentlich zur Schau trug. Hätte man
für dasselbe Geld einen Mauersteinbau so aufgeführt, daß man das Mate-
rial seiner Natur gemäß verwendete, so würden wir Monumente besitzen,
wie sie die Antike und das Mittelalter aufzuweisen hat.