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Aus dem Tagebuche
in die Tiefe, wo die Etsch zu den Fußen hinbraust, die Stadt durch-
schneidend, welche mit ihren zahllosen Thürmen und Mauerzinnen den
schonsten Vorgrund der überreichen Ebene bildet. Noch siehr man rück-
wärts die Ausla'ufer der Alpen, und gleichzeitig am südlichen Saume des
Horizontes die Kuppeln von Mantua und noch ferner den hochaufsteigen-
den Appenin.
So im Vollgenuffe des Erlangten sehnt sich das Herz dennoch schon
weiter. Es erblickt schon jenseit der Berge ein zweites noch milderes
Land, während diesseit derselben noch so viel des Scho'nen zu erwarten
steht und sich bereits rcichlich erschlossen hat.
Verona, den 7. October. Unter den Kirchen einer Stadt suche ich
gern die der beiden heiligen Diakonen Stephanus und Laurentius aus.
Sind späterhin keine vollständigen Umbauten vorgefallen, so kann man in
der Regel sicher sein, eine der ältesten Anlagen der Stadt zu sinden.
Jn Verona liegt S. Lorenzo zwar nicht mehr innerhalb der Mauern
des Gallien, aber doch unweit der kontn rloi 6ou8nvi, gleich neben der
Etsch, gegen die Straße hin mit einem Vorhofe versehen, durch welchen
man in das südliche Seitenschiff der Kirche eintritt. Der Haupteingang
aber ist an der Westsront, wo sich auf einem kleinen Vorplatze zwei runde
Thürme zu den Seiten desselben erheben. Diese Anlage mit Doppelthür-
men an der Faoade ist in Jtalien ungewohnlich, selbst nachdem das gothi-
sche System daselbst adoprirt wurde, hier aber durch die alterthümliche
Anlage um so merkwürdiger. Denn daß sie sehr alt ist, zeigt das Mauer-
werk: in steter Abwechselung eine Reihe sehr roh bearbeiteter gelblicher
Bruchsteine und eine Reihe Ziegel; dieselbe alterthümliche BauwM zeigt
auch die halbkceisförmige Altarnische. Sonst ist von ursprünglicher Archi-
tektur im Aeußern wcnig zu erkcnnen. Das Jnnere zeigt zu den Seiten
des Schiffes wechselnd Pfeilcr und Säulen durch Rundbögen verbunden,
und darüber ähnlich angeordnete Emporen; letztere, so wie die Seiten-
schiffe unter denselbcn sind mit quadratischen Kreuzgewölben überspannt,
während das Mittelschiff zwar durch Gurtbögen von Pseiler zu Pseiler
in quadratische Felder getheilt wird, doch keine Kreuzgewölbe erhielt. Die
meisten Säulenkapitäle sind korinthisch oder doch korinthisirend, doch durch-
gehend ohne alterthümliches Ansehen. Einige derselben zeigen durchaus
mittelalterliche Formen; zwei größere, innerhalb kreuzartiger Vorsprünge
ftehend, ein jedes vier Adler an den vier abgestumpsten Ecken und unter
ihnen ein Blätterkranz, während das Prosil des Abakus eine einfache
Schmiege bildet. Die ganze Architektur des Jnnern dürfte schwerlich über
die Zeiten der erneuerten Bauthätigkeit hinaufreichen, welche in ganz
Mitteleuropa mit dem Xl. Iahrhundert beginnt, während jene Reste der
Aus dem Tagebuche
in die Tiefe, wo die Etsch zu den Fußen hinbraust, die Stadt durch-
schneidend, welche mit ihren zahllosen Thürmen und Mauerzinnen den
schonsten Vorgrund der überreichen Ebene bildet. Noch siehr man rück-
wärts die Ausla'ufer der Alpen, und gleichzeitig am südlichen Saume des
Horizontes die Kuppeln von Mantua und noch ferner den hochaufsteigen-
den Appenin.
So im Vollgenuffe des Erlangten sehnt sich das Herz dennoch schon
weiter. Es erblickt schon jenseit der Berge ein zweites noch milderes
Land, während diesseit derselben noch so viel des Scho'nen zu erwarten
steht und sich bereits rcichlich erschlossen hat.
Verona, den 7. October. Unter den Kirchen einer Stadt suche ich
gern die der beiden heiligen Diakonen Stephanus und Laurentius aus.
Sind späterhin keine vollständigen Umbauten vorgefallen, so kann man in
der Regel sicher sein, eine der ältesten Anlagen der Stadt zu sinden.
Jn Verona liegt S. Lorenzo zwar nicht mehr innerhalb der Mauern
des Gallien, aber doch unweit der kontn rloi 6ou8nvi, gleich neben der
Etsch, gegen die Straße hin mit einem Vorhofe versehen, durch welchen
man in das südliche Seitenschiff der Kirche eintritt. Der Haupteingang
aber ist an der Westsront, wo sich auf einem kleinen Vorplatze zwei runde
Thürme zu den Seiten desselben erheben. Diese Anlage mit Doppelthür-
men an der Faoade ist in Jtalien ungewohnlich, selbst nachdem das gothi-
sche System daselbst adoprirt wurde, hier aber durch die alterthümliche
Anlage um so merkwürdiger. Denn daß sie sehr alt ist, zeigt das Mauer-
werk: in steter Abwechselung eine Reihe sehr roh bearbeiteter gelblicher
Bruchsteine und eine Reihe Ziegel; dieselbe alterthümliche BauwM zeigt
auch die halbkceisförmige Altarnische. Sonst ist von ursprünglicher Archi-
tektur im Aeußern wcnig zu erkcnnen. Das Jnnere zeigt zu den Seiten
des Schiffes wechselnd Pfeilcr und Säulen durch Rundbögen verbunden,
und darüber ähnlich angeordnete Emporen; letztere, so wie die Seiten-
schiffe unter denselbcn sind mit quadratischen Kreuzgewölben überspannt,
während das Mittelschiff zwar durch Gurtbögen von Pseiler zu Pseiler
in quadratische Felder getheilt wird, doch keine Kreuzgewölbe erhielt. Die
meisten Säulenkapitäle sind korinthisch oder doch korinthisirend, doch durch-
gehend ohne alterthümliches Ansehen. Einige derselben zeigen durchaus
mittelalterliche Formen; zwei größere, innerhalb kreuzartiger Vorsprünge
ftehend, ein jedes vier Adler an den vier abgestumpsten Ecken und unter
ihnen ein Blätterkranz, während das Prosil des Abakus eine einfache
Schmiege bildet. Die ganze Architektur des Jnnern dürfte schwerlich über
die Zeiten der erneuerten Bauthätigkeit hinaufreichen, welche in ganz
Mitteleuropa mit dem Xl. Iahrhundert beginnt, während jene Reste der