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Die siachen und die steilen Dächer,

ausprägen mußte, als der heitere, mehr dem Jrdischen zustrebende, antike
Gottesdienst eine solche Formengebung gar nichl hätte gebrauchen konnen.

Gleichzeitig wirkten die Gesetze, denen alle Bausormen unterworfen
sind, mit: die Theilung nach der Höhe, anstatt bei der Antike nach der
Breite, der Parallellismus der Linien rc. Die Wahl des Materials trat
nur insosern hervor, als es dcn gegebenen Zweck zu ersüllen hatte und
hinlänglich haltbar blieb. Die Berücksichtigung des Klima's trat ganz in
den Hintergrund, denn wir würden unbedingt zu jener Zeit nur Tempel
mit flachen Dächern in Deutschland gesehen haben, wenn eben so wie der
christliche Cultus der römische oder griechische damals wären eingeführt
worden.

Die weltlichen Gebäude haben sich zu allen Zeiten hinsichtlich ihrer
Formengebung nach den kirchlichen gerichtet, und so sehen wir das mäßig
hohe Dach (welches die halbe Breite des Gebäudes zur Höhe nie über-
schreitet) auch an allen weltlichen Bauten jener Zeit, und nur die Thürme
der Burgen, Stadtmauern, Thore rc. machen eine Ausnahme davon, in-
dem ihre Dächer (wie bei den Kirchthürmen) eine steilere Neigung haben,
um sie mit den schlanken Bausormen des Thurmes mehr in Einklang
zu bringen.

Endlich im 12. und 13. Jahrhundert sehen wir jenen Baustyl ent-
stehen, welcher unter dem Namen des Spitzbogen- oder altdeutschen Styles
bekannt ist. Seine Verhältnisse noch höher treibend als der vor ihm be-
stehende romanische, erblicken wir an den Kirchen die steilsten Dächer, wel-
che jemals erbaut worden waren, aber die Thurmspitzen waren noch viel
steiler, ohne daß ein klimatischer Einfluß dabei mitgewirkt hätte.

Es ist bekannt, daß sich das Klima eines waldigen Landes merklich
mildert, wenn die Wälder nach und nach in kultivirte Gegenden verwan-
delt werden. Dies war auch in Deutschland der Fall, denn im 13. und
14. Jabrhundert war es unstreitig mehr angebaut, als im 10. und 11.,
und man hätte mithin in den späteren Jahrhunderten flächere Dächer des
Klima's wegen bauen können; man baute sie aber wieder aus gcistigen
Rücksichten steiler und nicht flacher; eben so folgte wieder die Dachform
der weltlichen Gebäude denen der kirchlichen, und wir sehen überall steile
Giebel- und noch höhere Thurmdächer der Rathhäuser, Thore rc.

Noch weniger klimatisch sind die durchbrochenen fteinernen Thurm-
spitzen des altdeutschen Styls, wie die zu Freiburg im Breisgau, am Dome
zu Meißen, Maria-Stiegen zu Wien, und wie sie nach den Zeichnungen
dazu am Cölner Dom und am Ulmer hätten werden sollen. Sollte aber
die Ldichtigkeit des Baues und der Begriff des nach Oben Strebenden,
 
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