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Kunsthistorisches Institut <Wien, Universität> [Hrsg.]
Jahrbuch des Kunsthistorischen Institutes — 5.1911

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Kurth, Betty: Ein Freskenzyklus im Adlerturm zu Trient
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https://doi.org/10.11588/diglit.18127#0074
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Betty Kurth Ein Freskenzyklus im Adlerturm zu Trient

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Licht und Schatten. Das Kolorit ist blaß und zart und dennoch leuchtend. Allen Werken
dieser Gruppe ist die genremäßige Auffassung der religiösen Szene gemeinsam. So besteht
die Darstellung der Madonna im Rosengarten oder der obere Teil der Anbetung der
Könige in der Brera oder die Schilderung Giovanni Badiles in Santa Maria della Scala
aus einer Reihe lieblicher mit aller Gegenständlichkeit wiedergegebener Genrezüge. Überall
zeigt sich in kleinen Beigaben die Freude an naturalistischen Detailstudien. Blumen und
Sträucher bedecken den Boden oder umgeben den
Thron der Madonna. Einen Ubergang bedeutet
auch hier die Madonna im Rosengarten, wo die
Bodenvegetation ähnlich wie im Tacuinum noch
ganz stilisiert erscheint. Tiere aller Art, insbeson-
dere Vögel, bevölkern die Darstellungen und zeigen
in ihrer Durchbildung und Wiedergabe einen von
Jahrzehnt zu Jahrzehnt wachsenden Reichtum von
naturalistischen Einzelbeobachtungen.

Die Blüte und zugleich den Abschluß dieser
neuen Entwicklung bilden die Werke des bedeu-
tendsten veronesischen Künstlers Antonio Pisa-
nos106). Alle allgemeinen für die veronesische
Kunst bisher gewonnenen Erkenntnisse haben
auch für ihn Geltung. Nur hat er den neuen Stil
mit der Eigenart und Intuition seiner künstleri-
schen Individualität durchtränkt und zu einer
selbständigen, persönlichen Schöpfung umgebildet.
Seine Werke repräsentieren uns gewissermaßen
die Quintessenz der geschilderten Richtung.

Die Raumdarstellung hält auch hier nicht
Schritt. Pisanos Landschaften fehlt noch die Ein-
heitlichkeit. Einzelne naturalistisch beobachtete
Teile sind zu einem unorganischen Ganzen zu-
sammengesetzt. Die Relationen dieser Teile unter- Fig. 31 Rom, Galleria Colonna.
einander, die Relationen der Figuren zur Landschaft Stefano da Zevio. Madonna
blieben unbeachtet. Dadurch entstanden grelle Miß-
verhältnisse. Die Architekturen erscheinen als gotische Phantasiebauten, die ihre Vorbilder
einem fremden Kunstkreis entlehnt haben. Eine Ausnahme bildet die Rückseite der Medaille
des Filippo Maria Visconti107). Hier findet sich ein Turm, den wir deutlich als einen Bau der
venetischen Landschaft zu erkennen vermögen. Er zeigt nahe Verwandtschaft sowohl mit dem
Kampanile in Venedig als auch mit den Türmen Veronas. Hier tritt uns in der veronesischen
Kunst zum erstenmal die gelungene naturtreue Wiedergabe eines realen Bauwerks entgegen.

l06) Literatur: Adoi.fo Venturi: Le vite de pui ec- Zoege v. Manteufkei.: Die Gemälde und Zeichnungen

cellenti pittori scultori ed architettori scritte da M. Giorgio des Antonio Pisano. Halle 1909.

Vasari I. Gentile da Fabriano e il Pisanello. Firenze San- 107) G. F. Htt.t.: Pisanello. London 1905, Tafel 30.

soni 1896. G. F. Hnx: Pisanello. London 1905. Kurt
 
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