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E. Tietze-Conrat Die Bronzen der fürstlich Liechtensteinschen Kunstkammer
Lehrzeit bei Giuliani ehren lernte, ist ein handgreiflicher Beweis für die Richtigkeit dieser
Annahme erstanden.
Die Erörterung der beiden Bronzefiguren des Duquesnoy ist beendet und ihre Zu-
weisung an den Künstler scheint mir vollkommen fest zu stehen. Doch will ich eine
weitere Figur einführen, die im ersten Augenblicke
das ganze Gebäude umzuwerfen droht. Es ist ein
Apoll (Fig. 48) in der Sammlung Figdor, eine 32-5 cm
hohe Bronze mit schwarzem Lackfirnis, die in über-
raschender Weise das Thema des Merkur anschlägt
und es mit der nachlässigen Geste der linken Hand,
die uns von zahlreichen Apollfiguren geläufig ist
(Clarac-Reinach, 240, 7; 241, 5; 251, 2; 253, 2), ver-
bindet. Daß diese Geste, die wir wieder auf kein
bestimmtes Vorbild zurückführen wollen, Allgemein-
besitz der Renaissance geworden war, beweist z. B.
die Statuette des Merkur des Antico (Hermann,
a. a. O., Taf. XXXIX). Wieder meldet sich die
Stelle bei Bellori, in der es ja von einem compagno
Apollo lautet, und von dem Putto, der beim gött-
lichen Bogenschützen, mit ihm zur Gruppe verbun-
den, steht, war dort kein Wort zu lesen; hier hätten
wir einen viel deutlicher gekennzeichneten Apoll und
das Bewegungsmotiv, der gestreckte Bau, die großen
Hände zeigen eine Abhängigkeit vom Duquesnoy-
schen Merkur, die niemand ableugnen kann. Das ist
richtig; aber eben nur eine Abhängigkeit. Ich sehe
ganz davon ab, daß die Figuren in der Größe nicht
zueinander passen. Auch im Motiv sind sie unmög-
lich als Pendants denkbar, als gleichwertige Ergän-
zungen zu einem inhaltlichen und formalen Zu-
sammenklang. Der Apoll bei Figdor steht Duquesnoy
nahe, es ist eine spätere Arbeit, die sich an den
Merkur des Meisters im Motiv und in der Auffassung
anlehnt; doch gibt ihm nichts — auch nicht die
lakonische Ausdrucksweise des Bellori — die Berech-
tigung, unseren Apoll bei Liechtenstein beiseite zu
jtn schieben und sich selbst an seinen Platz zu stellen.
Im Laufe des XVII. Jhs. hat das ästhetische
Glaubensbekenntnis der Bronzebildhauer nicht ge-
wechselt, nur die Praxis ist durch die entwickeltere
Technik und die großzügigeren dekorativen Bedürfnisse bereichert worden. Noch immer
gilt das anerkannte Vorbild, das zum Begriffe sublimiert und in selbständiger Erscheinung
weitergegeben wird. Der Bronzekünstler will nicht fälschen, will nicht den historisierenden
und repräsentativen Anforderungen genügen und dem nachgeborenen Renaissancefürsten
eine Umgebung schaffen, die der römischen Weltherrschaft glorreiche Tage auf leben läßt.
Fig. 48 Apoll, Bronzestatuette
in der Sammlung Dr. Figdor, Wien
E. Tietze-Conrat Die Bronzen der fürstlich Liechtensteinschen Kunstkammer
Lehrzeit bei Giuliani ehren lernte, ist ein handgreiflicher Beweis für die Richtigkeit dieser
Annahme erstanden.
Die Erörterung der beiden Bronzefiguren des Duquesnoy ist beendet und ihre Zu-
weisung an den Künstler scheint mir vollkommen fest zu stehen. Doch will ich eine
weitere Figur einführen, die im ersten Augenblicke
das ganze Gebäude umzuwerfen droht. Es ist ein
Apoll (Fig. 48) in der Sammlung Figdor, eine 32-5 cm
hohe Bronze mit schwarzem Lackfirnis, die in über-
raschender Weise das Thema des Merkur anschlägt
und es mit der nachlässigen Geste der linken Hand,
die uns von zahlreichen Apollfiguren geläufig ist
(Clarac-Reinach, 240, 7; 241, 5; 251, 2; 253, 2), ver-
bindet. Daß diese Geste, die wir wieder auf kein
bestimmtes Vorbild zurückführen wollen, Allgemein-
besitz der Renaissance geworden war, beweist z. B.
die Statuette des Merkur des Antico (Hermann,
a. a. O., Taf. XXXIX). Wieder meldet sich die
Stelle bei Bellori, in der es ja von einem compagno
Apollo lautet, und von dem Putto, der beim gött-
lichen Bogenschützen, mit ihm zur Gruppe verbun-
den, steht, war dort kein Wort zu lesen; hier hätten
wir einen viel deutlicher gekennzeichneten Apoll und
das Bewegungsmotiv, der gestreckte Bau, die großen
Hände zeigen eine Abhängigkeit vom Duquesnoy-
schen Merkur, die niemand ableugnen kann. Das ist
richtig; aber eben nur eine Abhängigkeit. Ich sehe
ganz davon ab, daß die Figuren in der Größe nicht
zueinander passen. Auch im Motiv sind sie unmög-
lich als Pendants denkbar, als gleichwertige Ergän-
zungen zu einem inhaltlichen und formalen Zu-
sammenklang. Der Apoll bei Figdor steht Duquesnoy
nahe, es ist eine spätere Arbeit, die sich an den
Merkur des Meisters im Motiv und in der Auffassung
anlehnt; doch gibt ihm nichts — auch nicht die
lakonische Ausdrucksweise des Bellori — die Berech-
tigung, unseren Apoll bei Liechtenstein beiseite zu
jtn schieben und sich selbst an seinen Platz zu stellen.
Im Laufe des XVII. Jhs. hat das ästhetische
Glaubensbekenntnis der Bronzebildhauer nicht ge-
wechselt, nur die Praxis ist durch die entwickeltere
Technik und die großzügigeren dekorativen Bedürfnisse bereichert worden. Noch immer
gilt das anerkannte Vorbild, das zum Begriffe sublimiert und in selbständiger Erscheinung
weitergegeben wird. Der Bronzekünstler will nicht fälschen, will nicht den historisierenden
und repräsentativen Anforderungen genügen und dem nachgeborenen Renaissancefürsten
eine Umgebung schaffen, die der römischen Weltherrschaft glorreiche Tage auf leben läßt.
Fig. 48 Apoll, Bronzestatuette
in der Sammlung Dr. Figdor, Wien