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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 14.1893

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I. Theil: Abhandlungen
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Kenner, Friedrich: Die Porträtsammlung des Erzherzogs Ferdinand von Tirol, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5885#0048
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38

Dr. Fr. Kenner.

keinen Zweifel übrig, dass dieser erste Bestandtheil die Porträtsammlung des Erzherzogs Fer-
dinand selbst darstellt.

2. Die Nummern 914—971, d. i. die nächstfolgenden 58 Stücke, sind von den älteren, unter 1,
besprochenen durchaus verschieden. Ihre Reihe beginnt mit den von den Freres Huault in den Jahren
1695 und 1697 gemalten Bildnissen Brandenburgischer Fürsten und enthält weiter eine bunte Folge,
in der Bildnisse verschiedener Persönlichkeiten ohne Rücksicht auf die Zeit, die Nationalität und den
Rang derselben durcheinandergeworfen sind, so zwar, dass man auf den ersten Blick erkennt, dass sie
niemals in das oben erwähnte System, nach welchem die Bildnisse des älteren Bestandtheiles geordnet
waren, eingefügt sondern nach dem Zufall, d. h. nach der zeitlichen Folge, in der sie nach Ambras
gelangten, aufbewahrt und späterhin nummerirt wurden. Alle weichen in Grosse und Ausstattung von
jenen des älteren Bestandtheiles völlig ab. Sie sind im eigentlichen Sinne des Wortes Miniaturgemälde,
um Vieles kleiner als die der ersten Reihe, mit wenigen Ausnahmen oval oder rund, in Oel und Guache
auf Kupfer, Elfenbein und Pergament gemalt, leider ohne alle Bezeichnung und stellen nahezu nur
Persönlichkeiten des 17. Jahrhunderts dar, dürfen also schon aus diesem Grunde nicht der alten Samm-
lung zugezählt werden. Da an ihrer Spitze Gemälde aus dem Ende des 17. Jahrhunderts stehen, können
sie wohl erst im Laufe des folgenden nach Ambras gelangt sein, am wahrscheinlichsten auf dem Wege
des Austausches zwischen den Sammlungen von Wien und Ambras, als man anfing, aus den verschie-
denen Schlössern das Entsprechende nach Wien zu nehmen und dafür in jene das hier Entbehrliche
abzugeben.

3. und 4. Die alte Nummerirung bricht mit Nr. 971 ab, beginnt von Neuem mit Nr. 1 und führt
in einer gesonderten Folge von Nr. 1—99, von welchen mehrere doppelt vorhanden sind, zwei
ursprünglich getrennte Reihen, die zusammengeworfen wurden, vereinigt auf. Die Eine (3) ent-
hält abermals vorwiegend Miniaturen des 17. Jahrhunderts (56 Stuck), darunter ein Bildniss, auf
welches sich augenscheinlich eine Stelle bezieht, die wir in dem »Journal oder Handbuch« des
Carl Gustav Heraeus, der Antiquitäteninspector des Kaisers Karl VI. war, lesen.1 Er vermerkt hier
unter den Miniaturen, die er 1712 für den Kaiser angekauft: »Nr. 2: Kaiser Carl V jung von Holbein.«
Dieses Stück ist ohne Zweifel das jetzt in unserer Sammlung befindliche Bildniss, nun in Tafel C,
Nr. 147 ausgestellt. Demnach kann angenommen werden, dass es erst viel später, etwa unter Kaiserin
Maria Theresia, nach Ambras wanderte, da es Kaiser Karl VI., für den es erworben wurde, zu Leb-
zeiten kaum wird weggegeben haben. Ist diese Folgerung richtig, so stellt die hier in Rede stehende
Reihe, die sich durch grossen künstlerischen Werth auszeichnet, den jüngsten beträchtlicheren Zu-
wachs der Sammlung dar.

Die andere Reihe (4) dagegen ist wohl älter aber auch sehr untergeordnet. Sie umfasst 46
gleich grosse, auf Leinwand skizzenhaft gemalte, wohl meist erfundene Porträte, die durch den braunen
Ton, der fast wie Untermalung aussieht, und durch ein gelbliches, mit Weiss gehöhtes Incarnat auf-
fallen. Als eine geschlossene Folge für sich scheinen sie von jeher wie ein Anhang der Sammlung be-
trachtet und, was sie in der That verdienen, wenig gewürdigt worden zu sein; sie wurden in keinem
Inventare einzeln aufgeführt.2

Im Folgenden haben wir es vorerst mit dem grösseren und älteren Bestandtheil, mit der Samm-
lung des Erzherzogs Ferdinand zu thun und wenden uns zunächst der Geschichte ihrer Entstehung zu.

1 Jetzt im Archiv der kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses, Msc. p. 11.

2 Zu den hier aufgeführten Bildnissen (1073 an der Zahl) kamen nach der Uebersiedlung nach Wien noch zwei
alte Bildnisse (unbezeichnet und unbestimmt), ferner drei von der Gemahlin des Custos Alois Primisser gemalte: Erzherzogin
Margaretha, Tochter des Kaisers Maximilian I., Erzherzogin Claudia und Kaiser Matthias; endlich zwei von einem Fräulein
Dornfeld gemalte Bildnisse: Wallenstein und Thekla, so dass heute die Gesammtzahl 1080 beträgt. Der Verfasser der
übrigens dankenswerthen Mittheilungen über die Porträtsammlung des Herzogs Philipp II. von Pommern (Baltische Studien
XX [1864], S. 124) bezeichnet als den bedeutendsten Rest einer derartigen alten Sammlung 150 Bilder aus Ambras in Wien.
Dies kann sich nur auf die Bildnisse in Lebensgrösse beziehen, die Erzherzog Ferdinand besass. Die Sammlung kleiner
Bildnisse scheint jener Autor ignorirt zu haben.
 
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