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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 14.1893

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I. Theil: Abhandlungen
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Kenner, Friedrich: Die Porträtsammlung des Erzherzogs Ferdinand von Tirol, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5885#0153
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140

Dr. Fr. Kenner.

Unterschied von unserem Bilde besteht nur darin, dass jenes in Windsor auf der Hutkrämpe ein Me-
daillon mit der Muttergottes auf dem Halbmond (Umschrift: Sancta Maria ora pro nobis) zeigt und
das Kleid grünlichgrau ist; alles Uebrige, Schnitt des Kleides, die Schlitze, der schwarze Mantel und der
blaue Grund sind auf beiden gleich.

Die Zeit des Porträts in Windsor bestimmt Scharf nach der Titelangabe des jungen Königs auf
einer Medaille mit ähnlichem Gesichte auf 1516 bis 1519, indem Karl in der Umschrift schon als König
von Castilien aber noch nicht als deutscher König bezeichnet wird. Da er auf unserem Bildniss noch
jugendlicher und in voller Trauer erscheint (daher fehlt die Hutmedaille und sind die Spangen des
Hutes schwarz), dürfte dieses kurz nach dem Tode seines Grossvaters, Ferdinand des Katholischen

(f 1516), hergestellt sein. Sicher entstand unser Bildniss in den
Niederlanden ebenso wie jenes von Windsor; es ist vielleicht
von demselben Maler gemalt.1 Ob dies Simon Bening, der her-
vorragende, seit 1518 in Brügge ansässige Maler war,2 mag da-
hingestellt bleiben; das im Statutenbuch des goldenen Vliesses
vorkommende Bildniss Karl V. um 1518, das möglicher Weise
von ihm stammt, ist von unserem und dem Bildniss in Windsor
beträchtlich verschieden.3 Dagegen steht diesem Letzteren zeit-
lich das Dürer zugeschriebene Porträt der historischen Gallerie
von Versailles* sehr nahe; es gibt den jungen König im 17.
bis 18. Lebensjahre und nicht in Trauer; die Hutmedaille zeigt
die Feuereisen des Vliessordens in Relief.

148. Derselbe, um 1535.

Aus dem Nachtrag. — Miniatur in Oel auf Papier, auf
Holz aufgezogen, 8:5-5 Cm.; auflichtbraunem Grunde in einem
dunklen Oval von 7-3 :5 Cm., ohne Aufschrift.

Brustbild links, die Augen dunkelblau, Haar und Bart
braun, mit niederem schwarzen Barett, das mit Gold und einer
weissen Feder geziert ist; die Schaube mit braunem Pelzkragen
versehen, das Unterkleid Goldstoff mit Gold gestickt, darüber
der Vliessorden an einer Halskette. — Katalog Nr. 950.
Dieses Bildniss wird mit grösster Wahrscheinlichkeit Jakob Seisenegger zugeschrieben, welcher
seit 1531 der viel beschäftigte Hofmaler des Königs Ferdinand war und, seinem Dienste treu, glänzende
Anerbietungen des Kaisers Karl V. selbst sowie Alba's im Jahre 1532 ausschlug. Er malte das Bildniss
Karl V., Don Philipps, Ferdinands, der Königin Anna und ihrer Kinder zu wiederholten Malen und
wurde 1558 in den Adelsstand erhoben, »weil er dieser Zeit in der Kunst des Bildnissmalens als der
berühmteste anerkannt und befunden worden ist«. Er zog sich hohen Alters, insbesondere der Schwäche
der Augen wegen, 1561 nach Linz zurück, wo er vor 1567 starb.3 Sein Geburtsjahr und -Ort sind
unbekannt; sicher aber war er im Reichsantheile des Königs Ferdinand geboren, und zwar, da er 1530
schon als vollendeter Meister auftritt, kaum später als 1505, war also ein Zeitgenosse seines ihm stets
wohlgewogenen königlichen Herrn. Ausser der Aehnlichkeit der Gesichtszüge wird insbesondere seine
Treue und Geschicklichkeit in der Darstellung der Kleider und des Schmuckes gerühmt. Völlig sichere

Nr. 148.

1 Auch die von Pomedello gearbeiteten Medaillen des jungen Königs beziehen sich auf ein Factum, das sich in den
Niederlanden abspielte, auf seinen Sieg in Geldern (1517)- Armand, Les Medailleurs Italiens des XV et XVI Steeles I, 125,
1; II, 294; HI, 52-

2 lieber ihn Th. v. Frimmel in diesem Jahrbuch V, S. 269.

3 Ebenda, Taf. XXII.

4 Galleries historiques de Versailles Tom. IX, nr. 1845.

5 E. Birk, Jakob Seisenegger, Mittheilungen der k. k. Central-Commission für Erforschung und Erhaltung der Bau-
denkmäler IX (1864), S. 70 ff.
 
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