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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Editor]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 14.1893

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I. Theil: Abhandlungen
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Schneider, Robert von: Gian Marco Cavalli im Dienste Maximilians des Ersten
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https://doi.org/10.11588/diglit.5885#0207
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Gian Marco Cavalli im Dienste Maximilians des Ersten.

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majestätischen Schönheit (»quella bellezza molle a un tempo e maestosa«), wie Manzoni sie nennt,
welcher ein vielgereister deutscher Ritter nicht zauderte, den Preis zu ertheilen,1 gerade zu der Zeit,
als sie ihre höchste künstlerische Verklärung in den berückenden Gebilden Leonardo da Vinci's fand.

Die Zeichnung in der Akademie von Venedig stellt Bianca Maria um einige Jahre älter dar als
das Berliner Bild. Auf ihrem Antlitze liegt nicht mehr der sonnige Glanz ihrer Heimat und es ist,
als spiegelten sich die Enttäuschungen der von der Politik geschlossenen Ehe in dem etwas ver-
driesslichen Gesichtsausdrucke der Fürstin. Ueber dem Haarnetze trägt sie eine Mütze mit hinten
aufgebogener Krämpe. Der lange Zopf ist beseitigt. Statt seiner schmückt eine um so längere, der
übervollen Brauttruhe entnommene Perlenkette ihren zarten Hals.2 Wir besitzen kein Gemälde der
Bianca, das dieser Skizze entsprechen würde. Doch dürfen wir mit aller Sicherheit behaupten, dass es
ein solches gegeben hat, da im Kupferstichkabinete zu Berlin eine grosse colorirte Zeichnung aufbe-
wahrt wird, auf der dasselbe Bildniss mit allen seinen Einzelheiten wiederholt ist.3 Nur die Mütze zeigt
ein gesticktes Muster, das in der venezianischen Skizze fehlt. Dass die Berliner Zeichnung nach einem
Gemälde angefertigt wurde, geht aus den beigeschriebenen Bemerkungen über die Bemalung des Ori-
ginales hervor, soferne diese nicht unmittelbar in blasser Farbe wiedergegeben ist. Diese Bemerkungen
sind in deutscher Sprache und demnach war der Copist ein Deutscher. Zweifellos war aber das jetzt
verschwundene Original von einem italienischen Maler, aller Wahrscheinlichkeit nach von Ambrogio
de Predis, und dies würde so gut wie sicher sein, wenn die Skizzen in Venedig, wie es nach allen
unseren Ausführungen bisher den Anschein hatte und wie ein so gewiegter Kenner wie Lermolieff an-
nimmt, wirklich von diesem Meister wären.

Wie gut aber auch Ambrogios Rechte auf die Vaterschaft dieser Skizzen begründet erscheinen, so
dürfen wir doch nicht ablehnen, Ansprüche zu prüfen, die von einer ganz anderen Seite her auf das
Blättchen erhoben werden können. Es gibt einen Teston, ausgeprägt in Gold* und in Silber (Taf. XIII,
2), der auf der vorderen Seite die nach rechts gewandten Köpfe Maximilians und der Bianca Maria zeigt,
auf der Kehrseite die heilige Jungfrau, auf den Wolken thronend, wie sie dem Jesuskinde die Brust
reicht, umgeben von sieben geflügelten Engelsköpfchen. Die Legende der Vorderseite lautet: »Maxi-
milianu(s) Ro(manorum) Rex et Bianca M(aria) coniuges«; die letzten Buchstaben »IV« müssen
wohl trotz aller Tautologie auf »juneti«, gedeutet werden. Auf der Rückseite liest man das Gebet an die
Jungfrau: »Esto nobis turris for(tis) a facie inimici.« Die ganz gleichen Darstellungen sehen wir

1 Die Pilgerfahrt des Ritters Arnold von Harff ... in den Jahren 1496—1499, herausgegeben von E. v. Groote
(Köln 1860), S. 217: »Item in deser stat Meylaen dunckt mich nae mijnem dummen erkentenyss dat ich dae die schoenste
frauwen gesien hane van alle mijner wandelonge ind zo Venedich die koestlichste ind zo Coellen die hoemoedichste ind in
demc koninckrijch von Moabar die aller swartzte.«

2 Zur Aussteuer vgl. G. dcl Maino, 1. c.: in dotem constituta sunt ad quater centena millia aurei nummi (streng
genommen 3oo.ooo, vgl. Ulmann, Kaiser Maximilian I., Bd. I, S. 219, Anm. I; Calvi, Bianca Maria Sforza etc., S. 18, Ann).).
Insupcr in parapherna advecta est summa aureorum sexaginta millium, pro iocalibus, vestimentis, pretiosa suppellectili, et
reliquo mundo muliebri. Vgl. das Inventar ihres Geschmeides und ihrer Kleider, das in mehreren Copien in den Archiven
zu Mailand und Wien vorhanden ist, lateinisch im .lahrbuche der kunsthistorischen Sammlungen, Bd. I, 2, Nr. 191, p. XXX
bis XXXII; im italienischen Originale bei Calvi, S. 131 —147. Die Perlenschnüre nehmen darin einen grossen Posten ein. Eine
derselben hatte den Werth von 1780 Ducaten. Viele dieser Kleinodien wurden in den nicht seltenen Nöthen des Haushaltes
versetzt (vgl. Jahrbuch III, 2, Nr. 2676), wie einmal selbst die Wäsche (Ulmann I, S. 225). Die Geldgebarung der jungen Königin
gab von allem Anfange an den Gesandten ihres Oheims Anlass zur Klage, Calvi, S. 90.

Eine ausführliche Beschreibung des Gewandes, in dem die Königin aufgebahrt wurde, entnehmen wir einem am
2. Jänner 1511 geschriebenen Briefe eines Augenzeugen, Sebastian Usenwanger, an seinen Vater (Jahrbuch III, 2, Nr. 2684).
Ihm zu Folge war ihr Kleid aus Sammt mit goldenem Zierratc; sie trug gelbe Handschuhe und hatte an den Fingern zwei
goldene Ringe, den einen mit einem Diamant, den andern mit einem Rubin; um ihre rechte Hand war viermal ein Pater-
noster aus Korallen gewickelt, jede Koralle ungefähr so gross wie eine Haselnuss. Auf dem Haupte hatte sie eine ver-
goldete Krone aus Silber mit einem Reif und darauf ein Kreuz »wie die herzogen von Oesterreich das fucren«, um ihren
Leib »ainen guideinen Welischen porten«, um ihren Hals ein Perlenband.

3 Abgebildet in einem Drittel der Originalgrösse im Jahrbuch der königl. preussischen Kunstsammlungen, Bd. X, S. 74.

4 Das einzige bisher bekannte Exemplar in Gold befindet sich in der Sammlung Seiner Exccllcnz des Grafen von
Enzenberg.
 
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