Die Ornamente eines altchristlichen Codex der Hofbibliothek.
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eines Zierblattes, d. h. das erste Folio ist mit einer belanglosen Darstellung geschmückt, die lediglich
den Zweck hat, bei dem ersten Aufblättern das Auge zu erfreuen, so wie das bunte Papier, das dem
ersten Blatte unserer Bücher vorgebunden wird. Aber auch hier erscheint kein Ornament sondern die
Abbildung eines Pfaues, der, im Scurzo von vorne gesehen, mit seinem Schweife ein Rad schlägt,
dessen Augen prächtig mit Gold gehöht sind.
Von diesen mit Bildern verzierten Codices der ersten Jahrhunderte führt also keine Brücke zu
denen des Mittelalters. Wenn wir später Zierleisten, Initialen, Schrift und endlich auch Bilder ein
stilistisches Ganze von rein ornamentalem Charakter bilden sehen, wenn dort jeder Schmuck auf das
Geschickteste der Schrift angepasst und von Nachbildung plastischer Formen wie jener Rahmen keine
Fig. 2.
Rede mehr ist sondern Schrift, Schmuck und Bild zu einem Teppichmuster zusammenwachsen, so
müssen diese späteren Codices mit Flachornamenten andere Ahnen gehabt haben als die bilder-
geschmückten Prachtcodices. Ihre ältesten Vorbilder oder vielmehr die Keime, denen sie entwachsen
sind, müssen in verzierten Büchern liegen, deren Ornamente entgegen der malerisch-plastischen Wir-
kung der anderen Gruppe nach einem Flächenstile gestrebt haben. Ein solcher Codex, mit den ein-
fachsten Ornamenten der altchristlichen Kunst geschmückt, den wir der Schrift nach dem 6. oder dem
Beginne des 7. Jahrhunderts zuschreiben müssen, hat sich in Nr. 847 der Wiener Hofbibliothek
xiv. ' 26
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eines Zierblattes, d. h. das erste Folio ist mit einer belanglosen Darstellung geschmückt, die lediglich
den Zweck hat, bei dem ersten Aufblättern das Auge zu erfreuen, so wie das bunte Papier, das dem
ersten Blatte unserer Bücher vorgebunden wird. Aber auch hier erscheint kein Ornament sondern die
Abbildung eines Pfaues, der, im Scurzo von vorne gesehen, mit seinem Schweife ein Rad schlägt,
dessen Augen prächtig mit Gold gehöht sind.
Von diesen mit Bildern verzierten Codices der ersten Jahrhunderte führt also keine Brücke zu
denen des Mittelalters. Wenn wir später Zierleisten, Initialen, Schrift und endlich auch Bilder ein
stilistisches Ganze von rein ornamentalem Charakter bilden sehen, wenn dort jeder Schmuck auf das
Geschickteste der Schrift angepasst und von Nachbildung plastischer Formen wie jener Rahmen keine
Fig. 2.
Rede mehr ist sondern Schrift, Schmuck und Bild zu einem Teppichmuster zusammenwachsen, so
müssen diese späteren Codices mit Flachornamenten andere Ahnen gehabt haben als die bilder-
geschmückten Prachtcodices. Ihre ältesten Vorbilder oder vielmehr die Keime, denen sie entwachsen
sind, müssen in verzierten Büchern liegen, deren Ornamente entgegen der malerisch-plastischen Wir-
kung der anderen Gruppe nach einem Flächenstile gestrebt haben. Ein solcher Codex, mit den ein-
fachsten Ornamenten der altchristlichen Kunst geschmückt, den wir der Schrift nach dem 6. oder dem
Beginne des 7. Jahrhunderts zuschreiben müssen, hat sich in Nr. 847 der Wiener Hofbibliothek
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