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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 14.1893

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I. Theil: Abhandlungen
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Schlosser, Julius von: Die Bilderhandschriften Königs Wenzel I.
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https://doi.org/10.11588/diglit.5885#0302
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Die Bilderhandschriften Königs Wenzel I.

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bibel macht der Gefangene nach einem der Mädchen hin eine Feige; hinter ihm steht ein anderes,
die ominöse, später zu erklärende Devise: Toho pzde toho in der Hand und mit dem Finger auf
ihn weisend. Auch mit dem Eisvogel, der auf ihn lospickt, geräth er einmal in Fehde (Wb., II, fol. 18).
Abgesehen von den Badescenen, in denen er natürlich nackt erscheint, trägt er kostbare, zuweilen pelz-
verbrämte modische Kleider (mit mi-parti). Darauf ist sehr häufig der Buchstabe E allein oder mit dem
W wechselnd, seltener der Reichsadler eingestickt; ein ganz ähnliches Kleid, das den Buchstaben E als
Streumuster zeigt, trägt der römische König in dem Orakelspiel der Wiener Handschrift. Damit wird
die an und für sich schon nahe liegende Vermuthung zur Gewissheit, dass in dieser Figur König
Wenzel selbst dargestellt ist.

3. Zu den beiden Hauptfiguren dieses kleinen Liebesromanes treten nun in mannigfacher, zum
Theile schon angedeuteter Verbindung verschiedene andere Gebilde, deren allegorischer Gehalt nicht
zu verkennen ist.

Zunächst löst sich jene Schärpe der Baderin los und tritt uns als selbstständige F~igur, zum Theile
in ganz freier ornamentaler Behandlung als Kranzgewinde etc. entgegen. Sehr häufig bildet dieser
schön geschwungene Knoten die Umrahmung, innerhalb dessen der Eisvogel sitzt oder die Buch-
staben E und W sich befinden. Nicht nur Wenzel, auch der eben genannte Vogel, die wilden Männer,
ja selbst die phantastischen Thiere der Randverzierungen erscheinen häufig mit dieser Schleife um
den Hals.

4. Eine noch grössere Rolle spielt der schon des Oefteren genannte Eisvogel. Das Thierchen,
dessen farbenprächtiges Gefieder die Maler zu immer wiederholter Darstellung reizte, ist die Alcedo
hispida der Zoologen, ein in den Sudetenländern häufiger, am Wasser nistender Verwandter der
antiken Alcyone, der nicht nur seines schönen Federkleides halber sondern auch, weil er bei sorglichen
Hausfrauen im Rufe steht, schädliche Insecten fernzuhalten, ausgestopft nicht selten in den Häusern
anzutreffen ist. Beim Volke geniesst er, nicht mit Unrecht, den Ruf grosser

Schlauheit; so gebraucht ihn z. B. Fischart im »Gargantua« als Bild eines , ',-,)

verschlagenen Menschen (als ein verschmitzter weit und eisvogel, Garg. 21 ib; - k

als ein durchtribener eisvogel, ibid. 23oa. Grimm, Wb., s.v.). Auch in unseren I
Drolerien kommt das Humoristische dieser Thiergestalt zum Ausdrucke; mit ^^MBH
seinem langen Schnabel, der ihm einen gravitätisch possirlichen Anstrich gibt,
sticht er oft recht vorwitzig in die Ranken und Miniaturen hinein.

In einem altniederländischen Gedichte: »Der naturen bloeme« findet sich
folgende hübsche Schilderung des Vogels:

Alcyon es een voghelkyn
meerre dan die musschen syn
In die zee es vele syn ganc
den hals hevet en deel lanc
en es ghevedert sciere en wit
en purpuryn, doch hem wel sit.'

Wir treffen ihn einzeln und paarweise, die bekannten Buchstaben oder
das Spruchband mit der unten zu besprechenden böhmischen Devise im Schnabel
haltend, fliegend und sitzend in oder auf der Schleife und auf den Attributen
der Bademagd, dem Kübel und Quast.

5. Eine nicht unwichtige Rolle spielt endlich auch der wilde Mann in
der bekannten Gestalt, bärtig und behaart aber nicht unedel gebildet. Er kommt
zumeist seiner eigentlichen Bestimmung nach als Schildfigur, das deutsche und

böhmische Wappen haltend, vor, zuweilen den ganz geschlossenen Turnierhelm

1 Gütige Mittheilung des Herrn Scriptors der Hof bibliothek Dr. F. Meneik.
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