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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 14.1893

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I. Theil: Abhandlungen
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Schlosser, Julius von: Die Bilderhandschriften Königs Wenzel I.
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https://doi.org/10.11588/diglit.5885#0308
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Die Bilderhandschriften Königs Wenzel 1. 279

Carm. 129, 3: Venus enim aureo

nectit cordis laqueo
corporis distantia.

Den provencalischen Troubadours ist gleichfalls dies Bild geläufig; Peire Ramon von Toulouse
verwendet es in einer Canzone, die Diez (Leben und Werke der Troubadours, p. 118) schön übersetzt hat.
Desgleichen Petrarca, Son. 65:

Ch' i' aggio in odio la speme e i desiri
Ed ogni laccio onde '1 mio cor e avvinto.

Dieses Band wird als Liebesknoten (noeud d'amour, love-knot) ein
während des ganzen Mittelalters gebräuchliches Symbol. Namentlich bei
den Dichtern wälscher Zunge ist der Knoten ein häufig gebrauchtes dich-
terisches Bild, das aber auch schon die Carmina burana verwenden. Carm.
125,3:

In hoc loco stringitur
nodus absque nodo
nec ullus recipitur
modus in hoc modo
sed qui unquam solvitur,
plus constringit nodo.

Cino da Pistoia sagt in einem Sonette (Bartoli, Storia della lett. ItaL,
vol. IV, p. 97):

Ome ch' io sono all amoroso nodo
Legato con due belle trezze bionde
E strettamente ritenuto, al modo
D' uccel ch' e preso al vischio tra le fronde.

Ebenso Petrarca, Son. 23o (auf den Tod Lauras):

L' ardente nodo, ov' io fui d' ora in ora
Contando anni ventuno interi, preso,
Morte disciolse.

Son. 266:

a quel bei nodo eguale
Onde Morte m' assolve, Amor mi lega

und öfter.

Noch Pulci verwendet im Morgante maggiore (XVII, 15") dieses Bild, dessen sich bekanntlich
auch Schiller in seiner Klage der Ceres bedient.

Der Liebesknoten war aber nicht nur ein dichterisches sondern ein reales Symbol. In Chaucer's
Canterbury-Tales trägt der so prächtig geschilderte Mönchsstutzer an seiner Kapuze einen Liebesknoten:

v. 197: He hadde of gold y-wronght a curious pyn,
A love-knotte in the gretter ende ther was.

In Neapel existirte ein Ritterorden, angeblich von Ludwig von Tarent nach 1352 gestiftet, der als
Emblem einen Liebesknoten, auf der Brust zu tragen, und die Devise: »Se Dieu piaist« hatte (Bieden-
feld, Geschichte aller Ritterorden etc., I, io3).

Auch Shakespeare erwähnt ihn; ja noch im vorigen Jahrhundert war es üblich, dass die jungen
Burschen am Valentine-morning den Mädchen solche Knoten zusandten (Goldsmith im »Vicar of Wake-
field«, ch. 4), und wird es wohl noch heute sein. Die Sitte der Valentinen kommt aus Frankreich und
 
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