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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 14.1893

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I. Theil: Abhandlungen
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Schlosser, Julius von: Die Bilderhandschriften Königs Wenzel I.
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https://doi.org/10.11588/diglit.5885#0318
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Die Bilderhandschriften Königs Wenzel 1.

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Die Randverzierungen behandeln also, wie wir sehen, ein Liebesverhältniss König Wenzels zu
einer Bademagd. Gerade die Badestuben1 sind es ja, welche in mittelalterlichen Erzählungen sehr
häufig als Rendezvousort Liebender figuriren. Ich erinnere an eine der köstlichsten Novellen Boccaccio's
(Decam., giorn. VIII, cap. 10), wo eine leichte Dame, die Boccaccio geradezu eine »barbiera« nennt,
die sich aber Madonna Jancofiore titulirt, im Bade mit ihrem Anbeter, dem Florentiner Salabaetto, zu-
sammenkommt und ihn selbst bedient. In einer anderen Novelle des Decamerone (giorn. III, cap. 6)
bietet die Badestube für Ricciardo Minutolo die Gelegenheit, mit einer verheirateten Frau zusammen-
zukommen. Aehnlich in einem deutschen Schwanke in Keller's »Altdeutschen Erzählungen«, S. 426.

Ueber dieses Verhältniss Wenzels liegt nun ein ausführlicher Bericht in der Kronyka ceskä
Häjek's (erschienen 1541) vor. Hier erfahren wir sogar den Namen der Baderin, Susanna, und die
näheren Umstände, welche den König mit ihr in Verbindung brachten. Häjek erzählt, Wenzel sei
i3g3 von den Pragern in die Spinka, das noch heute gezeigte Gefängniss der Prager Rathsstube, gesetzt
worden. Um Bartholomäi habe er gebeten, ein in der Nähe des Altstädter Rathhauses gelegenes Bad
besuchen zu dürfen, was ihm gewährt wurde. Ich setze die weitere Erzählung in der Uebersetzung
Sandel's2 hieher:

»Nachdem sie aber lang gebadet, bat der König seine Hüter, so mit ihm badeten, dass sie ihm
erlauben wollten, damit er sich ein wenig kühlen möchte, welches sie bewilligten. Als der König hinaus
an die Mulda kommen, sah er zunächst am Hause im Wasser ein Fischer-Kähnlein samt dem Ruder
stehen und fragte eine junge Bad-Magd, so mit ihme hinaus gegangen war, ob sie auch überführen
könte. Sie antwortet: Ja. Der König sprach: Ich bitte, führe mich auf die ander Seiten des Wassers,
ich will dirs wol verlohnen. Solches thät sie unverzüglichen. Und als sie fast in die Helffte kamen,
sprach der König: Ich bitt, eile fort; also kamen sie schleunigst hinüber. Der König wischet nackend
im Kahn, wie er darinnen gelegen, auf, sprang heraus und raffet das Weib auch zu sich. Sie stieg des-
gleichen heraus und der König stiess das Kähnlein vom Ufer. Die Badmagd sprach: Ach warum thust
du solches, wie sol ich nun wieder hinüber kommen? Der König sprach: Es geziemet sich dir nicht,
wieder hinüber zu fahren, sondern nimm das Ruder und folge mir nach, so will ich dir von der Uber-
fahrt einen guten sold geben und noch heut ein Hundert rother Gulden aufzehlen. Das Weib war des
Geldes begierig und folgte ihm schleunig nach und lieffen unterzeiten trabende, bis sie endlich durch
die Straucher am Ufer des Wassers Mulda, hirauf gegen dem Dorffe Chuchel über komen waren; allda
fanden sie ein ledig Kähnlein am Ufer, traten darein und fuhren wieder hinüber und gingen also durch
den Wald bis zum Neuen Schloss, welches er der König Wenceslaus vor zweyen Jahren, etwas mehr
als eine halbe Meil Wegs über dem Wischehrad, bauen lassen. Mittlerweile ward es gantz Abend. Der

1 Vgl. auch den reichhaltigen Aufsatz Zappert's: »Ueber das Badewesen mittelalterlicher und späterer Zeit« (Archiv
für österr. Geschichte XXI, 1 ff.).

2 Ich benütze den Neudruck, welcher 1718 zu Leipzig erschienen ist.

XIV. 37
 
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