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Dr. Julius von Schlosser.
ber den schlagendsten Beweis für diese Behauptung, dass E die
Initiale des Namens der Königin Offney, Euphemia, ist, erbringt
eine Initiale A auf fol. 27 des Münchener Avennares. Hier steht
unter dem gekrönten W ein gekröntes O, beide von Flügen
eingeschlossen. Diese Deutung gewinnt überdies durch den Eis-
vogel, das Symbol treuer Gattenliebe, an Gewicht.
Wir haben schon früher hervorgehoben, dass Königin Offney-
Sophia, eine schöne, lebenslustige und kluge Dame,' mit ihrem
Gemahle, dessen Charakterbild von späteren Chronisten wegen
seiner Hinneigung zur Lehre Wicliffe's und der gewiss nicht zu
entschuldigenden Ermordung Johanns von Pomuk arg verunstaltet
worden ist, in glücklicher Ehe lebte. Sie war eine Tochter Herzog
Johanns von Baiern, gehörte also nicht der regierenden sondern
einer unbedeutenden, weder durch Besitz noch Einfluss hervorragenden Linie an. Politische Erwä-
gungen haben also auf die Wahl Wenzels, der seit i386 Witwer war, keinen Einfluss gehabt sondern
die bekannte Schönheit und das ihm zusagende Wesen der Prinzessin.2 Schon i388 fanden Verhand-
lungen statt und vor Ostern i38g wurde die Hochzeit mit allem Pompe gefeiert; der König war damals
28 Jahre alt. Dass die Willehalm-Handschrift, die erste, in welcher uns das Bademädchen entgegen-
tritt, mit dem Jahre 1387 bezeichnet ist, braucht uns nicht zu beirren; dieser Vermerk bezieht sich wie
fast immer auf die Vollendung der Schreibarbeit, keineswegs aber der Miniaturen, welche in der
That auch gar nicht vollendet worden sind.
Dass ein Ehemann seiner Gattin eine solche, etwas phantastisch aufgeputzte Liebe widmet, wie
sie uns in den Allegorien der Wenzelsbibel entgegentritt, ist in dieser Zeit nicht verwunderlich. Die
Periode des Minnesanges,3 wo dergleichen für unschicklich und lächerlich gegolten hatte, war längst vor-
über. Im Leben wie in der Poesie macht sich statt der frostigen Liebeständelei der früheren Zeit eine
heissere, sinnlichere aber auch ernstere Liebe geltend, vor der, wie im Hug Schapler und in der Gri-
seldis, auch die Standesunterschiede fallen, so wie sich in Italien die Dichter dem wirklichen Leben
zuwenden, nicht mehr die verheiratete Frau, wie die Troubadours, sondern das Mädchen besingen
und die ersten Klänge der modernen Lyrik ertönen lassen. Auch in die Kreise der Vornehmen und
Fürsten dringt diese leidenschaftliche Sprache einer neuen Zeit: ich erinnere nur an die romantischen
Abenteuer Herzog Wilhelms von Oesterreich bei seiner Werbung um die heissgeliebte Hedwig von
Ungarn.* In dem altfranzösischen Roman: »Durmart le Gallois«, welcher derselben Zeit angehört, tritt
der anonyme Verfasser warm für die Gattenliebe gegenüber dem schon wankend gewordenen Codex
der Galanterie ein, indem er einen seiner Helden zu dem Sohne sprechen lässt:
Filz de roi doit avoir amor
A haute pucele roial
Ou a roi'ne emperial.
Ouant je fu jones, je tendi
A fille a roi de haut parage
Tant que je l'oi par mariage.
C'est vostre mere; je l'aim tant
Que tos jors va l'amors croissant.
(Hist. litt, de la France XXX, 146.)
' Aeneas Sylvius, Hist. Bohem., c. 33, nennt sie: »longe viro suo praestantior«.
2 Lindner a. a. O. II, 45; Riezler, Geschichte Baierns III, 145.
3 Ich erwähne bei dieser Gelegenheit, dass König Wenzel IV. jedoch nicht, wie man zuweilen liest, Minnelieder ge-
dichtet hat. Es ist dies eine Verwechslung mit seinem Vorgänger Wenzel II., dessen Bild und Lieder in der Manessischen
Handschrift stehen. t
4 Huber, Oesterr. Geschichte II, 328.
Dr. Julius von Schlosser.
ber den schlagendsten Beweis für diese Behauptung, dass E die
Initiale des Namens der Königin Offney, Euphemia, ist, erbringt
eine Initiale A auf fol. 27 des Münchener Avennares. Hier steht
unter dem gekrönten W ein gekröntes O, beide von Flügen
eingeschlossen. Diese Deutung gewinnt überdies durch den Eis-
vogel, das Symbol treuer Gattenliebe, an Gewicht.
Wir haben schon früher hervorgehoben, dass Königin Offney-
Sophia, eine schöne, lebenslustige und kluge Dame,' mit ihrem
Gemahle, dessen Charakterbild von späteren Chronisten wegen
seiner Hinneigung zur Lehre Wicliffe's und der gewiss nicht zu
entschuldigenden Ermordung Johanns von Pomuk arg verunstaltet
worden ist, in glücklicher Ehe lebte. Sie war eine Tochter Herzog
Johanns von Baiern, gehörte also nicht der regierenden sondern
einer unbedeutenden, weder durch Besitz noch Einfluss hervorragenden Linie an. Politische Erwä-
gungen haben also auf die Wahl Wenzels, der seit i386 Witwer war, keinen Einfluss gehabt sondern
die bekannte Schönheit und das ihm zusagende Wesen der Prinzessin.2 Schon i388 fanden Verhand-
lungen statt und vor Ostern i38g wurde die Hochzeit mit allem Pompe gefeiert; der König war damals
28 Jahre alt. Dass die Willehalm-Handschrift, die erste, in welcher uns das Bademädchen entgegen-
tritt, mit dem Jahre 1387 bezeichnet ist, braucht uns nicht zu beirren; dieser Vermerk bezieht sich wie
fast immer auf die Vollendung der Schreibarbeit, keineswegs aber der Miniaturen, welche in der
That auch gar nicht vollendet worden sind.
Dass ein Ehemann seiner Gattin eine solche, etwas phantastisch aufgeputzte Liebe widmet, wie
sie uns in den Allegorien der Wenzelsbibel entgegentritt, ist in dieser Zeit nicht verwunderlich. Die
Periode des Minnesanges,3 wo dergleichen für unschicklich und lächerlich gegolten hatte, war längst vor-
über. Im Leben wie in der Poesie macht sich statt der frostigen Liebeständelei der früheren Zeit eine
heissere, sinnlichere aber auch ernstere Liebe geltend, vor der, wie im Hug Schapler und in der Gri-
seldis, auch die Standesunterschiede fallen, so wie sich in Italien die Dichter dem wirklichen Leben
zuwenden, nicht mehr die verheiratete Frau, wie die Troubadours, sondern das Mädchen besingen
und die ersten Klänge der modernen Lyrik ertönen lassen. Auch in die Kreise der Vornehmen und
Fürsten dringt diese leidenschaftliche Sprache einer neuen Zeit: ich erinnere nur an die romantischen
Abenteuer Herzog Wilhelms von Oesterreich bei seiner Werbung um die heissgeliebte Hedwig von
Ungarn.* In dem altfranzösischen Roman: »Durmart le Gallois«, welcher derselben Zeit angehört, tritt
der anonyme Verfasser warm für die Gattenliebe gegenüber dem schon wankend gewordenen Codex
der Galanterie ein, indem er einen seiner Helden zu dem Sohne sprechen lässt:
Filz de roi doit avoir amor
A haute pucele roial
Ou a roi'ne emperial.
Ouant je fu jones, je tendi
A fille a roi de haut parage
Tant que je l'oi par mariage.
C'est vostre mere; je l'aim tant
Que tos jors va l'amors croissant.
(Hist. litt, de la France XXX, 146.)
' Aeneas Sylvius, Hist. Bohem., c. 33, nennt sie: »longe viro suo praestantior«.
2 Lindner a. a. O. II, 45; Riezler, Geschichte Baierns III, 145.
3 Ich erwähne bei dieser Gelegenheit, dass König Wenzel IV. jedoch nicht, wie man zuweilen liest, Minnelieder ge-
dichtet hat. Es ist dies eine Verwechslung mit seinem Vorgänger Wenzel II., dessen Bild und Lieder in der Manessischen
Handschrift stehen. t
4 Huber, Oesterr. Geschichte II, 328.