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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 14.1893

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I. Theil: Abhandlungen
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Chmelarz, Eduard: Eine französische Bilderhandschrift von Boccaccio's Theseide
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https://doi.org/10.11588/diglit.5885#0372
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Eduard Chmelarz. Eine französische Bilderhandschrift von Boccaccio's Theseide.

die speeifisch niederländische Liebe zur Natur, die Freude an landschaftlichen und städtischen Per-
spectiven und die bewundernswerthe Treue in Wiedergabe von Blumen und Gräsern im Wiesenplane
und auf den Randleisten. Im Besonderen zeigen letztere bei unseren Miniaturen nicht den angedeuteten
Reiz der niederländischen Arbeiten sondern ihr vorherrschendes stilisirtes Distelornament ist nur ganz
schwach mit deutlich erkennbaren Nelken, Rittersporn und Erdbeeren versetzt. Die Blumen, welche
auf dem Hochzeitsbilde Taf. XL zu sehen sind, hätte ein echter Niederländer doch ganz anders gemacht.

Stünden wir nicht der deutlichen Ansprache der Widmung an eine vornehme französische Dame
gegenüber, so würden wir keinen Augenblick mit der Zuweisung unserer Theseis an den burgundischen
Hof zaudern, um so weniger, als wir die Provenienz der Handschrift annähernd bis dorthin verfolgen
können. In die Hofbibliothek gelangte dieselbe aus der kaiserlichen Schatzkammer, und zwar wahr-
scheinlich unter den »n3 Stück verschiedener Bücher«, deren Uebernahme aus der Schatzkammer der
erste Custos der Hofbibliothek Nicolaus de Forlosia am 2. Mai 1752 bestätigte.1 In die Schatzkammer
jedoch kam die Theseis aus dem Nachlasse der Erzherzogin Margarethe, Tochter des Kaisers Maxi-
milian I. und der Maria von Burgund; im Inventar des gesammten Besitzes der genannten Erzherzogin
an Büchern und Kunstgegenständen vom 20. April 1524 findet sich neben vier anderen Werken von
Boccaccio unter Nr. 207 aufgezählt: »ung livre en parchemin, richement historie, escript ä la main,
couvert de velours noir a deux fermilletz d'argent dore, parlant de Ypolite, royenne de Cithia, depuis
nommee Amazeon«. Es bedarf wohl keines weiteren Beweises, dass unter diesem anonym angeführten
Werke unsere Theseis zu verstehen ist.2

1 Jahrbuch der kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses, X, Inventare der Schatzkammer, heraus-
gegeben von Dr. Heinrich Zimerman, Nr. 6247.

2 Ebendaselbst, III, p. CI, Nr. 2979. Der ursprüngliche kostbare Einband ist seither durch einen einfachen in grün
gefärbtem Pergamente ersetzt worden. Dass das Werk anonym aufgezählt ist, erklärt sich daraus, dass in der Widmung
der Theseis der Uebersetzer auch nicht ausdrücklich den Boccaccio sondern nur allgemein »un Florentin poethe« als
Autor nennt.
 
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