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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 17.1896

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Abhandlungen
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Schlosser, Julius von: Giusto's Fresken in Padua und die Vorläufer der Stanza della Segnatura
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https://doi.org/10.11588/diglit.5904#0018
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Julius von Schlosser.

ein Knabe. Savonarola erzählt bei dieser Gelegenheit ein Geschichtchen, das in dem feinen Gegen-
satze, der sich darin zwischen Alt und Jung, zwischen Nord und Süd der Apenninenhalbinsel aus-
spricht, des Salzes nicht entbehrt.

Ein junger Neapolitaner, der Malerei beflissen, war gleichfalls nach Padua gekommen, um die
Werke der alten Meister zu studiren. Savonarola, der sich für ihn interessirte, stellte während eines
Gespräches einige Fragen über sein Studium. Nachdem jener nach der Art seiner Landsleute einer
flinken Zunge freien Lauf gelassen hatte, warf er dem alten, für die ruhmvolle Vergangenheit seiner
Stadt begeisterten Paduaner mit der ganzen naiven Grobheit seines Alters, seines Berufes und seines
Stammes die eben nicht tactvollen Worte an den Kopf: »Der Ruhm eurer Stadt wäre wohl niemals
über die venezianischen Lagunen hinaus gedrungen, wenn sie nicht durch die grossen Meister, die bei
euch gewirkt haben, ein rechter Studienort für die Maler geworden wäre.« Der gelehrte Arzt, der seine
Leute kennen mochte, gab darauf dem Gelbschnabel, der wohl noch nie von der Vaterstadt des Livius
und von dem Ruhme ihrer Hochschule etwas vernommen hatte, mit feinem Lächeln die malitiöse
Antwort: »Da mag es freilich schlimm um unsere gute Stadt bestellt sein. Denn auf diese Weise ist
ihr Ruhm den Händen von ein paar Gecken anvertraut, die, wenn sie gerade Lust verspüren, die
Figuren beschädigen und in ihren eigenen Arbeiten verhunzen werden, derart, dass sie gerade dasjenige,
was Ursache des Ruhmes der Stadt geworden ist, noch mehr verderben, als es die Länge der Zeit
ohnehin schon gethan hat.«1

Der Reichthum Paduas ist mit jenen vier grossen Gemäldecyklen nicht erschöpft. Wenn auch an
künstlerischem Werthe weit hinter den Schöpfungen jener Vier stehend, nehmen doch die Malereien
in der Sala della Ragione, im Chore der Eremitanikirche und im Baptisterium ein nicht gewöhnliches
stoffliches Interesse für sich in Anspruch.

Padua hat aber auch schon im Trecento, vor dem Auftreten Squarcione's und seiner Schüler,
einheimische Maler von Bedeutung gehabt. Der wohl unterrichtete Savonarola hebt deren zwei mit
besonderem Lobe hervor: den Guariento, der im Dogenpalast zu Venedig die grosse, jetzt von Tinto-
retto bedeckte »Krönung Mariae« und die »Schlacht von Spoleto«, dann in der Residenz der Carrara
zu Padua seine noch von Micchiel gelobten Fresken gemalt hatte und dem die oben genannten
Malereien bei den Eremitani zugeschrieben werden; an zweiter Stelle den Giusto,2 dessen künstleri-
sche Physiognomie noch viel silhouettenhafter ist als die seines Genossen. Sehen wir daher zu, was
uns der älteste Gewährsmann, Savonarola, über ihn zu berichten weiss. Wir werden seine Angaben
beachten müssen; denn der Maler muss, als Savonarola geboren wurde, noch am Leben gewesen sein.3
Giusto. Als Werke Giusto's nennt Savonarola (Docum. I, A, i—3) den Freskenschmuck der Cappella San

Luca im Santo, eine Stiftung der Conti, die biblischen Gemälde im Baptisterium, endlich ein Madonnen-
bild im Dom, anscheinend die Copie eines jener alten Gnadenbilder, die man dem heiligen Lucas zu-

Literarische
Nachrichten
über ihn.

1 Commentariolus Savonarolae de laudibus Patavii, L. II, c. i, bei Muratori, Scriptorcs rerura Italicarum, vol. XXIV,
col. 1181:

Neque parvi facio pictoriae Studium, quod singulare decus urbis nostrae existit, cum ad Studium literarum et bo-
narum artium prae ceteris artibus adhaereat, cum pars sit perspectivae, quae de proiectione radiorum loquitur. Haec enim
philosophiae pars est. Suis enim gloriosis atque formosis et plurimis in numero admirandis picturis Zotus, pictorum prin-
ceps, nostra vivit in civitate, sicque ceteri quatuor, de quibus primo loco actum est. Ad quas visendas ex omni Italiae
parte pictores confluunt veniuntque iuvenes hoc studio cupidi, ut sie ab eis doctiores facti, lares deinde proprios redeant.
Neque solatiosum hoc tibi tacebo. Nam cum ex Neapoli industriosus iuvenis ad artem hanc adipiscendam Paduam pro-
fectus esset, ut eum de studio suo, in quo delectatus sum, aliqua interrogarem, post multa respondit: »Famam civitatis
nostrae lacunas Venetas numquam pertransisse, nisi gloriosa studii pictoriae fama per illustres nominatos pictores illustrata
fuisset.« Cui et ego subridens respondi: »Maximo enim in periculo eam collocasti. In manibus enim stultorum illam locas
qui, cum volent, figuras lacerando delebunt, et quae sie suae famae causa sunt, vetustate corrupta corrumpent.«

2 Die erste zusammenfassende Arbeit über diesen Maler rührt von dem um die oberitalienische Kunst so verdienten
Ernst Förster her und steht in Schorn's Kunstblatt von 1838, S. 49. Vgl. Schnaase VII, p. 499 ff.; Crowe und Cavalcaselle,
Ital. Malerei, deutsche Ausgabe, II, S. 408 ff.

3 Savonarola dürfte 1466 gestorben sein und soll ein Alter von 71 Jahren erreicht haben. Vgl. Muratori in der
Vorrede zu dem Schriftchen Savonarola's. Die schriftlichen Nachrichten über Giusto findet man in den Documenten des
Anhanges (Nr. I) zusammengestellt.
 
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