Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 17.1896

DOI Heft:
Abhandlungen
DOI Artikel:
Schlosser, Julius von: Giusto's Fresken in Padua und die Vorläufer der Stanza della Segnatura
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.5904#0064
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Giusto's Fresken in Padua und die Vorläufer der Stanza della Segnatura.

53

Fig. II. Die drei göttlichen Tugenden. Campanile zu Florenz.
(Gezeichnet von Richard von Schneider.)

Den zweiten grossen Cyklus dieser Art auf toscanischem Boden bilden die Reliefs des Glocken- Dic Reliefs

des Campanile

thurmes von Santa Maria del Fiore, der Kathedrale von Florenz (s. die beigegebenen Umrisszeichnun- zu Florenz,
gen, Fig. i3 —18). Ihr Grundgedanke ist, wiewohl im Ganzen einheitlich, doch lange nicht so streng
durchgeführt wie in dem Fresco der spanischen Kapelle. Dies ist begreiflich, wenn man bedenkt, dass
die Ausschmückung des Thurmes sehr langsam vor sich ging und die ersten Reliefs noch den Tagen
Giotto's, die letzten aber schon dem Zeitalter Donatello's angehören.

Es ist jedoch höchst sonderbar, dass dieses bedeutende Sculpturwerk, das technisch und historisch
wie auch inhaltlich des grössten Interesses würdig ist, an das sich nicht nur Giotto's grosser Name
knüpft sondern auch die Kunde von Leistungen solch hervorragender Künstler wie des Andrea Pisano
und des Luca della Robbia, bisher nur die oberflächlichste Schätzung und Beurtheilung erfahren hat.
Wir werden weiter unten sehen, dass die landläufigen Deutungsversuche ebenso leichtfertig und
willkürlich sind.

Es möge mir darum gestattet sein, wenigstens obenhin auf die Frage nach der Urheberschaft
dieser Reliefs einzugehen. Ich verhehle mir die grossen Schwierigkeiten dieses Unterfangens nicht
und bin selbst am allerweitesten davon entfernt, meine Bemerkungen als endgiltige Resultate anzu-
sehen. Dazu kommt noch, dass die Prüfung der Originale an Ort und Stelle ungemein erschwert ist,
sowohl durch das lebhafte Getriebe, das aus dem Engpass der Via de' Calzajuoli heraus fortwährend
den Thurm umbrandet und den Beschauer zu keiner Sammlung kommen lässt, als auch der Höhe
wegen, in der namentlich die Reliefs der obern Reihe angebracht sind, so dass die Details nur dem be-
waffneten Auge erkennbar werden.1 Glücklicherweise helfen die trefflichen Photographien Alinari's
wenigstens einigermassen diesem Mangel ab.

A. Nardini Despotti Mospignotti, dem wir so wichtige Aufschlüsse über die Baugeschichte von Baugeschiehte
Santa Maria del Fiore verdanken, hat auch den Campanile in den Bereich seiner Studien gezogen.2 Er dcs GamPam'c-
geht von einer höchst wichtigen, bis dahin unbeachteten Stelle im 85. Gesang des »Centiloquio« von
Antonio Pucci aus, die als Zeugniss eines Zeitgenossen die grösste Bedeutung hat. Der florentinische
Volksdichter erzählt nämlich zum Jahre 1334: »In diesem Jahre, am neunzehnten Juli, wurde nach

1 Die Vertheilung der Reliefs geht aus der im Texte reproducirten schematischen Skizze des Sockels (Fig. 12) hervor.

2 II Campanile di Santa Maria del Fiore, Studi di A. N., Firenze, Torino, Roma, Locscher (Abdruck aus der »Rassegna
Nazionale«, Anno VII).
 
Annotationen