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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Editor]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 17.1896

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Abhandlungen
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Schlosser, Julius von: Giusto's Fresken in Padua und die Vorläufer der Stanza della Segnatura
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https://doi.org/10.11588/diglit.5904#0083
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Julius von Schlosser.

2. Hercules und Cacus (?). Die Säuberung der Erde von den Ungeheuern, als Grundbedingung
für friedliches Culturleben. Hercules ist rein antik gebildet,1 wie schon von Giovanni Pisano an der

Domkanzel zu Pisa und ähnlich in der merkwürdigen grossen Miniatur
des Lobgedichtes auf König Robert in der Ambraser Sammlung (Fig. 23).

3. Agricultura (sechste Ars mechanica). Bei Isidor heisst der Er-
finder des Ackerbaues »Homogirus« (Orig. XVII, i: Primum ad aratrum
boves iunxisse ferunt quendam privatum hominem et fulminatum, nomine
Homogirum).

4. Theatrica, wohl nicht die »Erfindung des Wagens« sondern die
noch fehlende siebente Ars mechanica, der kümmerliche Rest, der sich von
der Kunde der glänzenden Schauspiele des antiken Hippodroms und
Amphitheaters in Isidors Wörterbuch (XVIII, 15—68) gerettet hat und von
da sonderbarer Weise in die Scholastik hinübergewandert ist (bei Vin-.
centius, Spec. doctr. XI, 92). In den Brandenburger Malereien sind es
schon höfische Belustigungen, die im Bilde der »Theatrica« die alte Arena
ersetzen. Bei Burgkmair sind diese durch die zeitgemässere »Metallaria«,
die Schmiedekunst, ersetzt worden.

Der unbehilfliche Karren des Reliefs soll wohl die Biga der alten

Rennbahn vorstellen.

Da sich an dieser Seite die Thür befindet, so folgt nur noch ein

Relief oder vielmehr es gehören inhaltlich wie stilistisch die ersten zwei

Reliefs der folgenden Seite noch zu der eben besprochenen Reihe, die sie

abschliessen.
Fig. 23. Hercules.

5. Architectura, nicht ein Geometer sondern der Architekt, der

(Aus dem Panegyricus auf König

Robert, Wien.) mit dem Zirkel einen Grundriss entwirft. Die Architektur bildet mit ihren

Schwesterkünsten, der Sculptur und Malerei, einen Anhang der mecha-
nischen Künste.2 Bei Honorius von Autun sind sie darum auch im Hause der Mechanica unter-
gebracht. De animae exilio, cap. 10: Haec (mechanica) docet viantes omne opus metallorum, lignorum,
marmorum, insuper picturas, sculpturas et omnes artes quae manibus fiunt. Haec turrim Nemroth
exstruxit, haec templum Salomonis construxit. Haec arcam Noe et omnia moenia totius orbis
instituit et varias texturas vestium docuit (i. e. lanificium).

Nordseite (gegen den Dom).

1. (6.) Sculptura. Der Bildhauer bei der Arbeit, eine nackte Figur aus dem Stein heraus-
arbeitend. Das Detail ist ähnlich behandelt wie in der Schmiede Tubalkains.

2. (7.) Pictura. Der Maler vor der Staffelei. Die Vertreter der drei bildenden Künste mit ihren
Attributen kommen auch am Dom von Chartres vor (bei Viollet, a. a. O.).

Es folgen nun die am spätesten ausgeführten Reliefs Luca's, denen man es anmerkt, dass sie nur
als nothdürftiges Füllwerk hinzugekommen sind. Sie zeigen die Vertreter der Schulkünste; doch fehlt
die Astronomie und, wie es scheint, auch die Rhetorik.

3. (1.) Priscian oder Donatus (Fig. 24), den Knaben die Grammatik lehrend; im Hintergrunde
die Pforte, das Symbol dieser Disciplin, die das Propyläum aller übrigen ist. Ebenso auf dem Fresco
der spanischen Kapelle und im Ambraser Codex. Die gleiche Darstellung werden wir auch in Branden-
burg finden.

■ Vgl. aber den Aufsatz Supino's über Giovanni Pisano im »Archivio storico dell'arte« 1895, p-43ff.

2 Ueber ihre Stellung bei Varro und Martianus Capeila s. o. S. 32. Thancmar reiht schon in seiner Biographie
Bernwards von Hildesheim (Cap. 1) die bildenden Künste unter die Artes mechanicae ein. Es ist zu bedenken, dass der
moderne Begriff der Kunst verhältnissmässig jung ist.
 
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