Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 17.1896

DOI Heft:
Abhandlungen
DOI Artikel:
Kenner, Friedrich: Die Porträtsammlung des Erzherzogs Ferdinand von Tirol, [3]
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.5904#0137
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Die Porträtsammlung des Erzherzogs Ferdinand von Tirol.

123

deutschen Thrones verlustig, wurde von den Römern, als sich der Papst wegen seines hohen Alters nach Rom
zurückzukehren weigerte, herbeigerufen, setzte in Rom den Franziskanermönch Petrus (Rainalluccio) de Corberia
als Gegenpapst (Nicolaus V.) ein und Hess sich von ihm krönen (i3z8); doch unterwarf sich Letzterer schon i33o
dem Papste, der ihm verzieh, ihn aber in Avignon gefangen zurückhielt. Für die Ausbreitung der christlichen
Lehre durch Entsendung von Missionären nach Indien, Tibet und in die Tartarei sowie durch Gründung eines
Collegiums für Heranbildung junger Männer in Erzerum besorgt, wirkte der rastlos thätige Mann 1 vor Allem für
einen Kreuzzug in das heil. Land, gewann dafür die Könige von Frankreich, Aragonien, Ungarn und Sicilien
und häufte zu diesem Zwecke einen grossen Geldschatz
auf; trotz seines Aufwandes für Wissenschaften, Künstler
und Gelehrte hinterliess er 25 Millionen Goldgulden, als
er vor Durchführung seines Planes am 4. December 1334
im 91. Lebensjahre starb. Er wurde in der Basilica de
Notre Dame in Avignon beigesetzt.2

(Adrianvs- v ■ p-M. sie).3 Brustbild links,

im Dreiviertelprofil, unbärtig, mit fein angegebenen

Falten an Stirne, Mund und Augen, letztere und die

Haare braun, die Nase etwas gebogen, der Mund

sehr klein. Die Tiara aus Silberstoff mit einer Krone,

deren Zacken mit einzelnen Perlen geziert sind, im

Kronreif wechselnd rothe und graue Steine, die

Bänder nach rückwärts gelegt, in weissem Röchet

und einer Cappa aus Goldstoff mit breitem Saume,

vor der Brust eine grosse Schliesse (rother Stein in

Gold). Grund dunkelbraun. — Katalog Nr. 420.

An der Facade von San Paolo fuori le mura

in Rom befand sich ein authentisches Mosaikbild

des Papstes Johann XXII., das bei dem Brande von

1823 zu Grunde ging. Eine noch vor letzterem

veröffentlichte Umrisszeichnung des Mosaiks* zeigt

den Papst von der linken Seite, neben St. Johannes

Baptista knieend, im vollen Profil, unbärtig, die

Tiara, auf welche der Heilige die Hand legt, mit

einem Kronreif geschmückt. Ein zweites Bildniss ist uns in der liegenden Deckelfigur der Tumba des
Papstes erhalten; sie weist ein faltiges, unbärtiges Gesicht und eine Tiara mit zwei Kronen auf, von
welchen die obere allerdings als Doppelkrone aufgefasst werden kann.5 Die beiden hier aufgeführten
Denkmäler stimmen unter einander in den wichtigsten Angaben überein bis auf die Ausstattung der
Tiara mit nur einer Krone im Mosaik, die insoferne erklärlich ist, als die Hand des nebenstehenden
Heiligen den oberen Theil verdeckt und wohl aus diesem Grunde die oberen Reifen weggelassen
wurden. Unser Bild ist nun der Tumbafigur in einzelnen Zügen sehr ähnlich, hat aber mit dem

Nr. XIX.

1 Ein Zeugniss seiner weltumspannenden Thätigkeit geben die im päpstlichen Geheimarchive aufbewahrten Regesten-
bände, welche aus seiner achtzehnjährigen Regierung 60.000, nach Anderen 80.000 Acten umfassen. Unter Anderem er-
folgte unter ihm l323 die auch kunstgeschichtlich wichtig gewordene Canonisation des heil. Thomas von Aquino.

2 Hier hat man 1759 seine Leiche, auffallend gut erhalten, mit eingetrocknetem Fleische aufgefunden. Sie lag in
einem Sarge von Cypressenholz und mass 5 Fuss in der Länge. Der Ornat bestand aus einer weissen Mitra, einem mit
Perlen gestickten Pallium, einer weiten Cappa aus Gold- und Silberstoff, auch diese mit Perlen besäet, die Schliesse, von
der Grösse eines »60 Solsstückes« (etwa 42 Mm.), aus Elfenbein, mit einem emaillirten Triangel (Symbol der heil. Drei-
faltigkeit) geziert und mit Perlen gesäumt, Handschuhe und Sandalen weiss und sehr gut erhalten (nach dem Berichte des
Canonicus' Deveras, mitgetheilt von Eugene Müntz [Les tombeaux des Papes en France] in der Gazette des beaux arts
1887, II, p. 281 f.)- Ueber dem Sarge erhob sich ein grosses, dreitheiliges Mausoleum gothischen Stiles, nicht unähnlich
der Facade eines Domes. Ebenda, p. 280 und 281, eine ältere und neuere Abbildung des Grabmales.

3 Ueber die Verwechslung der Aufschrift siehe die Bemerkung zu Nr. XIII.

4 Nicolai (Niecola Maria), Deila Basilica di San Paolo, Rom 1815, tav. VI.

5 Lichtdruck zur Abhandlung »Les tombeaux des Papes en France« von E. Müntz in der Gazette des beaux arts
(1887), II, p. 275.

16*
 
Annotationen