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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 17.1896

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Abhandlungen
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Kenner, Friedrich: Die Porträtsammlung des Erzherzogs Ferdinand von Tirol, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5904#0139
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Die Porträtsammlung des Erzherzogs Ferdinand von Tirol.

In den vaticanischen Grotten findet sich ein Reliefbild des thronenden Papstes, das 1341, also
noch bei seinen Lebzeiten, entstanden ist und dem Paolo da Siena zugeschrieben wird;1 es zeigt die-
selbe etwas vorstehende Unterlippe und ähnliche Falten um den Mund wie unser Bild und jenes bei
Cavaleriis (Nr. 19g). Es ist also das Relief als die Vorlage der genannten Porträte zu betrachten,
wenngleich unser kleines Bildchen nicht direct darauf zurückgeht; die eigenthümliche Rückenansicht
deutet vielmehr, wenn ich mich nicht täusche, auf ein Historienbild späterer Zeit hin, in welchem zwar
die Gesichtszüge des Papstes aus jenem Relief benützt waren, die Composition der Figur aber nicht
auf einem repräsentativen sondern einem dra-
matischen Motive beruhte.

Es ist kaum abzuweisen, dass das öfter
genannte Relief, da es noch bei Lebzeiten
Benedict XII. entstand, dieser aber als Papst
nicht nach Rom gekommen ist, nach einem
aus Avignon stammenden Gemälde hergestellt
worden ist, sei es nach einem der schon er-
wähnten Porträte im Consistorium von Avig-
non (oben S. 122, Note 5), sei es nach einem
Werke des Lieblingsmalers des Papstes, Jean
Dalbo oder Delbon, das sich etwa im Palaste
Des Sorgues befand.2 Um so befremdlicher
ist die Darstellung des Papstes mit Vollbart
in der »Chronologia« (Nr. 197), da AbtMaran-
goni das Relief doch gekannt haben muss;
welche Quelle er dafür benützte, vermag ich
nicht anzugeben; sicher aber verdient sie
weniger Vertrauen als die Arbeit des Paolo
da Siena.

XXI. Clemens VI. (Pierre Rogier de
Beaufort),

geboren 1291 in Maumont, aus einer adeligen Fa- Nr. XXI.

milie stammend, seit dem zehnten Lebensjahre
Benedictiner in La Chaise Dieu, hervorragend durch

theologische Kenntnisse und Beredsamkeit, wurde von Johann XXII. zum Bischof von Arras, dann zum Erzbischof
von Rouen, von König Philipp VI. zu seinem Kanzler, von Benedict XII. zum Cardinal von SS. Nereo ed Achille
(i338) ernannt, am 7. Mai 134a zum Papste gewählt und am 19. Mai gekrönt. Den Römern, die ihn durch Ab-
gesandte, darunter Petrarca und Cola di Rienzo, begrüssten, gestand er die Feier des Jubiläums nach je 50 Jahren
zu,3 lehnte aber die Rückkehr nach Rom ab, erkaufte vielmehr die Grafschaft Avignon als päpstlichen Besitz. In
seinen kirchlichen Massnahmen nur theilweise von Erfolg begünstigt, * gelang es ihm, gegen Ludwig den Baier
die Wahl des Markgrafen von Mähren, Karl von Luxemburg, den er einst unterrichtet hatte, zum deutschen
Könige durchzusetzen, dem zu Liebe er auch das Bisthum Prag zum Erzbisthum erhob (1344) und die daselbst
gegründete Universität bestätigte. Ein Freund der Künste, die er an seinem prachtlicbenden und verschwenderi-
schen Hofe pflegte,5 und ein treuer Helfer des Volkes in der Zeit des »schwarzen Todes«, starb er am 1. De-
ccmber 1352 und wurde in der Abtei La Chaise Dieu beigesetzt. Sein von Pierre Roye unter Mithilfe von Jean

1 Phil. Laur. Dionysius, Sacrarum Vaticanae Basilicae cryptarum monumenta, Romae 1773,' pl. VII, p. 16. — Barbier
de Montault, Les Souterrains et le tresor de St. Pierre ä Rome, p. 18, Nr. 14.

2 Eugene Müntz in den Memoires de la Societe des antiquaires de France, Ve Serie, Tom. V (1884), P- '8.

3 Es wurde daher in Rom 1359 unter grossem Andränge von Pilgern gefeiert.

4 Die wiederaufgenommenen Verhandlungen wegen Vereinigung der griechischen und lateinischen Kirche und eines
Kreuzzuges ins heil. Land verliefen ohne Ergebniss. Dagegen gelang die Reform der Rhodiser Ritter, die Einführung des
katholischen Bekenntnisses bei den Armeniern und die Unternehmung gegen die Mauren (Einnahme von Algesira).

5 So setzte er den Palastbau in Avignon fort und Hess den Thurm St. Jacques durch Schüler des Simeone Martini
mit Fresken schmücken. Simeone selbst werden die Wandbilder in Notre Dame (im Dome) zugesprochen.
 
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