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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 17.1896

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Abhandlungen
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Kenner, Friedrich: Die Porträtsammlung des Erzherzogs Ferdinand von Tirol, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5904#0232
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2l6

Dr. Friedrich Kenner.

der Oberlippe, Biret undTalar scharlachroth, Collare weiss, die Mozetta aus lichter rothem gewässerten
Seidenstoffe. Grund schwarzgrün. — Katalog Nr. 599. — Auf Pappe aufgezogen.

Das Original scheint sehr bald nach der Promotion zum Cardinal in Rom selbst entstanden zu
sein und von jenem Maler herzurühren, der oben unter Nr. 63 besprochen wurde.

89 A. Giulia,

geboren in Gazuolo, ihrerzeit eine der schönsten Frauen in Italien, vermählt mit Vespasiano Colonna, Herzog
von Traetto, nach dessen frühzeitigem Tode (1528) sie im Sinne seines Testamentes ihre reiche Stieftochter Isa-
bella (Nr. 88) mit Ippolito Medici, Neffen des Papstes Clemens VII., vermählen sollte. Dieser aber, von Liebe zur

Stiefmutter seiner Braut ergriffen, verschmähte die Hand
der Erbtochter, welche hierauf (1531) Giulia's Bruder
Rodomonte heiratete, der sie von den Nachstellungen
des Napoleone Colonna befreit hatte (Nr. 86). Dadurch
wurde den Gonzaga von Sabioneta ein grosses Ver-
mögen zugeführt gegen den Willen der Colonna, die
nun ihrerseits Giulia aus Paliano verjagten, worauf sie
nach Fondi flüchtete, um dort ein ihrem Geiste und
ihrer Bildung entsprechendes, den Wissenschaften und
Künsten gewidmetes Leben zu führen. Der Ruf ihrer
Schönheit und Bildung war so gross, dass Sultan Soli-
man II. durch den Corsaren Chaireddin 1534 den Ver-
such wagen Hess, sie für das Serail zu rauben, was
durch die Treue eines Dieners vereitelt wurde. Ippolito
Medici, inzwischen Cardinal geworden, eilte daraufhin
mit Truppen aus Rom herbei und half die Seeräuber in
die Flucht schlagen; er hielt sich einige Zeit im nahen
Itri auf, starb aber dort 1535 an Gift. Mit seinem Tode
änderte sich die Lage Giulia's. Familienstreitigkeiten
bewogen sie, sich nach Neapel in das Kloster San Fran-
cesco delle Monache zurückzuziehen (1537), wo sie die
folgenden Jahre verlebte und am 19. April 1566 starb.
Sie wurde nach ihrem Testamente in der Kirche des
genannten Klosters beigesetzt.1

Ohne Aufschrift. Brustbild links, im Drei-
viertelprofil, der Kopf etwas gegen die rechte
Schulter geneigt, Haare, Augen und Brauen dunkel-
braun, letztere fein gezogen, gewölbte freie Stirne,
die Nase gerade, der Mund klein, der Hals schmal,
ohne allen Schmuck. Das Hinterhaupt und die
Schultern bedeckt ein gelbbrauner Schleier aus Seide, der unter das schwarze ausgeschnittene Kleid aus
Seide gesteckt ist; die Oberärmel weit und gepufft. Grund dunkelgraubraun. — Katalog Nr. 652,
v. Sacken Nr. 654.

Das vorliegende Bild zeigt Giulia schon mit dem Witwenschleier und in einem Alter von 24 bis
3o Jahren. Es ist also jedenfalls nach dem Jahre 1528, nach dem Tode ihres Gemahles, d. h. in der
Zeit entstanden, als Ippolito Medici sie kennen gelernt hatte. Nun Hess Letzterer, sowie sein eigenes
Bildniss, auch das ihrige von Sebastiano del Piombo malen, was zwischen dem 8. Juni und 15. Juli
1531 in Fondi geschah;2 Vasari war entzückt von dem »ritratto, il quäle venendo dalle celesti bellezze
di quella signora e da cosi dotta mano, riusci una pittura divina«. Das Zusammentreffen dieser Um-
stände lässt vermuthen, dass das Gemälde des eben genannten Meisters als Vorlage für andere Bild-
nisse der Giulia benützt worden sei, von denen gewiss ein Exemplar nach Mantua gelangt ist, eben

1 Dass sie eine Anhängerin der Lehre Luther's gewesen sei, widerlegt Affö, Vita di Vespasiano Gonzaga, p. 61 f.

2 Vasari-Milanesi V, p. 578. Die Zeitbestimmung ergibt sich aus den ebenda (Note 3) erwähnten Briefen des Se-
bastiano an Michelangelo, nach welchen er am 8. Juni eben im Begriffe war, nach Fondi zu gehen, und am 15. Juli schon
wieder zurückgekommen war. Auch Medaillen Hess der Cardinal auf sich und Giulia prägen, und zwar von Alfonso Lom-
bardi (Cittadella), der 1537 starb. Vgl. Milanesi bei Armand VII, p. 52, 53. Die Medaillen scheinen verschollen zu sein.
 
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