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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 17.1896

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Abhandlungen
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Chmelarz, Eduard: Georg und Jakob Hoefnagel
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https://doi.org/10.11588/diglit.5904#0295
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Eduard Chmelarz.

Fixirung in seinem Buche werth. Er zeichnet sich auch die Städtebilder von Rouen, Tours, Orleans,
Bourges und Lyon. Mehr noch als Frankreich regte ihn das spanische Land und Volk an, in dessen
Mitte er die Jahre 1563—1567 in Gesellschaft seines Freundes Niclas Malepart verlebte. Wir können
ihn auf seinen Kreuz- und Querfahrten genau verfolgen, und zwar dank der Verwerthung seiner
Skizzen in einem Werke, welchem die heutige Bücherwelt wenig gleiche an die Seite zu stellen hat.
Es ist das berühmte Städtebuch des Kölner Canonicus Georg Braun oder Bruin, welches unter dem
Titel: »Civitates Orbis terrarum« ... in Köln 1572—1618 in sechs Foliobänden erschien,1 und zwar
mit Radirungen und Stichen , welche nach Zeichnungen verschiedener Künstler hergestellt wurden.
Zu den besten, am wenigsten schematischen Bildern gehören jene, für welche Georg Hoefnagel nach
seiner Heimkehr ausserordentlich rein gezeichnete Wiederholungen seiner lavirten Originalaufnahmen
geliefert hat. Einige der Originalzeichnungen haben sich in der Ansichtensammlung der k. k. Hof-
bibliothek vorgefunden und 3o seiner eigenhändigen Copien für den reproducirenden Radirer sind
ebenda in einem besonderen Bande von Ansichten spanischer Städte erhalten.2 Es kann uns nicht
überraschen, dass sich der junge Künstler mit Vorliebe im Süden von Spanien aufhielt und in der
Gegend von Granada durch drei Jahre herumtrieb. Den Tanz und die schwere Arbeit der Landleute,
die bizarren Formen der Gebirge wie die malerischen und originellen Trachten ihrer Bewohner und
die stattlichen Anlagen der Warmbäder in Alhama u. s. w. notirte er sich mit nimmermüdem Federstrich
und leichter Farbenlavirung in seinem Skizzenbuche. Neben Granada, einem der schönsten Punkte
der Erde, dessen Herrlichkeit einer Schale voll bunter Edelsteine verglichen wurde (Fig. 2), scheint
ihm Sevilla besonders gefallen zu haben, ganz abgesehen von der drastischen Culturskizze, die er uns
auf dem bezüglichen Blatte in der öffentlichen Bestrafung eines Mannes und eines Weibes vorführt,
deren Wandel zu Aergerniss Anlass gab. In der königlichen Bibliothek zu Brüssel befindet sich näm-
lich eine wundervolle Miniatur mit der Ansicht von Sevilla3 aus den Jahren 1570 und 1573; das heisst,
im Jahre 1570 mag Hoefnagel das Stadtbild gemacht und drei Jahre später den reichen Zierrahmen
hinzugefügt haben, und diese seine Sorgfalt ist sozusagen eine Illustration des bekannten spanischen
Sprichwortes: »Qui non ha visto Sevilla, non ha visto maravilla.« Und noch 1593, also fast 3o Jahre
nach seinem Aufenthalte in jener Stadt, schickt er eine Zeichnung derselben seinem damaligen Reise-
genossen Malepart als Erinnerung an die schönen Tage der Jugend.

In Orchuna interessiren ihn die primitiven Arten, das Korn zu dreschen und zu reinigen. In
Conil bei Cadix zeichnet er den Thunfischfang und die Einpökelung (Fig. 3) und in Antequera
wundert er sich über eines jener Riesengefässe aus Thon, wie solche als Abkömmlinge vom Fasse des
Diogenes auf unserer Weltausstellung vom Jahre 1873 zu sehen waren. Allmälig rückt er aber gegen
Norden vor, bringt uns aus dem Jahre 1566 die Ansicht von Toledo mit Detailbildern des Domes und
des königlichen Schlosses und, nach der Zeichnung mit interessanten Costümstücken aus der Sierra de
Sant Andrea in Biscaja zu schliessen, mag er sich im folgenden Jahre von dort aus nach der Heimat
eingeschifft haben, vielleicht nicht leichten Herzens aber bereichert durch Eindrücke mannigfachster
Art und, wie es scheint, auch als Künstler ziemlich gefestigt. Das kann uns seine vorerwähnte Ansicht
von Sevilla beweisen, auf welche er voll Selbstbewusstsein schrieb: »Natura sola magistra.« Dieser
Satz, der sich als stolze Devise auf mehreren Blättern Hoefnagel's wiederfindet, kennzeichnet uns seinen

' Civitates Orbis terrarum in aes incisae et excusae et descriptione topographica, morali et politica illustratae col-
laborantibus Francisco Hohenbergio chalcographo et Georgio Hoefnagel, Coloniae ab anno 1572—1618, 6 Bände fol.

2 Der bezügliche Band in Folio trägt die Signatur Min. 41 und enthält zum grössten Theile Ansichten spanischer
Städte aus den Jahren 1563—1570, flott lavirt oder blos mit der Feder gezeichnet von Anton van den Wyngacrde. Die
Hoefnagel'schen Blätter sind kleiner und feiner ausgeführte Federzeichnungen von 217 Mm. Höhe : 265 Mm. Breite. Seine
Originalzeichnungen in Spanien variiren zwischen 26—36 Cm. Höhe und 48—50 Cm. Breite.

3 Fe"tis erzählt das wundersame Geschichtchen, dass im Jahre 1832 ein durchreisender Engländer, der seine Hotel-
rechnung in Brüssel nicht bezahlen konnte, die Zeichnung seinem Gastwirthe an Zahlungsstatt anbot und dieser sie dann
der königl. Bibliothek verkaufte. Der Zierrahmen gehört zu den stupendesten Leistungen der Miniaturmalerei, unbeschreib-
lich fein und reich mit Emblemen des Krieges und Friedens ausgestattet, mit Attributen aus den verschiedenen Naturreichen
und einer Allegorie auf die Eroberung Amerikas durch die Spanier, überragt von einem Bildnisse Philipp II. auf dem
Throne mit je einem Bischöfe zur Seite.
 
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