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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Editor]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 17.1896

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Abhandlungen
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Modern, Heinrich: Der Mömpelgartner Flügelaltar des Hans Leonhard Schäufelein und der Meister von Messkirch
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https://doi.org/10.11588/diglit.5904#0411
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368

Heinrich Modern.

kloster in Christgarten, nunmehr in München, Nürnberg und Schieissheim vertheilt. Dass Schäufelein
diese 16 Bilder eigenhändig gemalt habe, wie Thieme glaubt, halte ich schlechtweg für ausge-
schlossen. Neben hervorragenden, meisterlichen Bildern (»Befreiung Petri«, »Tod der Maria«, »Be-
gräbniss der Maria«) finden sich minderwerthige. Insbesondere in der Farbe sind die Aussenseiten
der Flügel matt, während die auf Goldgrund gemalten Innenseiten den warmen Goldton besitzen, der
fast alle Werke aus Schäufelein's Reifezeit auszeichnet.1

Fast mit Bestimmtheit lässt sich dieses Altarwerk datiren. Es ist nach dem Anna Brigel sehen
Epitaph von 1517 entstanden, dessen »Mariae Himmelfahrt« hier coloristisch verschönt wiederkehrt,2
und vor dem 1520 datirten Triptychon im Chore der Stiftskirche zu Tübingen. In den Typen weist

Fig. 9. Scene aus dem Bauernkriege.

letzteres grosse Verwandtschaft mit dem Christgartner Altarwerke auf. Einzelne Figuren sind geradezu
wiederholt, so der Spötter mit dem Dantekopfe im Vordergrunde rechts, der auch auf dem Mömpel-
garter Flügelaltare wiederkehrt, der Mann mit der Pelzmütze zwischen den Kreuzen Christi und
des reuigen Schächers. Neu sind prächtige Brocatstoffe für Costüme.

Das Jahr 1521 bringt das tiefempfundene, schön componirte Jörg Brigel'sche Epitaph: »Abschied
Christi von den Frauen« und vor Allem den Ziegler'schen Altar, für den Schäufelein 175 Goldgulden
erhalten haben soll, ein Meisterwerk des Künstlers. Tadellos correcte Zeichnung, edle Linienführung,
meisterliche Charakteristik und Ausdruck der Empfindungen, liebevolle Behandlung des Beiwerks,
grossartige, stimmungsvolle Landschaft, dies Alles vereint mit einer Farbenharmonie und einem hellen
Goldtone, der nur von den grössten Coloristen erreicht wurde, stellt dieses Werk in die erste Reihe
der Werke deutscher Kunst.3

■ Bei der Vertheilung des Christgartner Altarwerkes hat Nürnberg den Löwenantheil erhalten, nicht der Zahl aber
der Qualität nach. In der Münchner Pinakothek sind alle acht Bilder dieses Altars, die weitaus besten Bilder Schäutelein's
in dieser Galerie, dem Studium durch Aufhängen in der obersten Reihe, unmittelbar unter der Saaldecke, nahezu entrückt.

2 Vgl. Thieme, S. 73.

3 In seinem Tagebuche der Reise in die Niederlande berichtet Dürer, er habe dem Nicolaus Ziegler »einen todten,
liegenden Christum, ist 3 fl. werth« geschenkt (vor dem 1. October 1520). Bis in die jüngste Zeit (Leitschuh: Allgemeine
Zeitung 1884, S. 555f.) hat man diesen Christus Dürer's mit dem Bilde Schäufelein's in einen Zusammenhang bringen wollen;
auch Thieme lässt dessen Möglichkeit zu. Und doch ist sogar diese durch Dürer's Worte ausgeschlossen. Dürer schenkt
Ziegler einen liegenden, Schäufelein malte aber auf seinem Bilde einen sitzenden Christus.
 
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