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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 17.1896

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Modern, Heinrich: Der Mömpelgartner Flügelaltar des Hans Leonhard Schäufelein und der Meister von Messkirch
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https://doi.org/10.11588/diglit.5904#0412
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Der Mömpelgarter Flügelaltar des Hans Leonhard Schäufelein und der Meister von Messkirch.

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Dies gilt nicht nur von dem Mittelbilde, der »Beweinung Christi«, sondern auch von den vier
Bildern der beweglichen Flügel mit der heil. Barbara (Glaube), Elisabeth (Liebe) und den zwei heiligen
Bischöfen Nicolaus und Simpert (?). Die beiden weiblichen Heiligen, die gleichzeitig weibliche Haupt-
tugenden allegorisiren, sind den gleichen Figuren von Holbein's »Sebastianaltare« nachempfunden;
»der Kopf der heil. Barbara gehört zu dem Schönsten, so diese ganze Schule hervorgebracht«,
sagt Waagen.' Im Kunstblatte (1820, S. 66) behauptet der bereits erwähnte Maler Johannes Müller
aus Nördlingen, der sich viel mit historischen und kunsthistorischen Studien, insbesondere mit Schäu-
felein, befasst hat, dass »die heil. Barbara mit dem Kelche« Schäufelein's Frau vorstelle, während
Christian Mayer und Thieme hiezu die heil. Elisabeth ausersehen. Wenn man die Judith auf der
»Schlacht von Bethulien« zum Ausgangspunkte dieser Aufstellung nimmt, so wird man der Ansicht
Müller's beipflichten. Unzweifelhaft aber ist, dass die Herodias des Mömpelgarter Flügelaltars, die
heil. Barbara und die Judith aus der »Schlacht von Bethulien« eine und dieselbe Person darstellen.
Bemerkenswerth ist, wie der Künstler auf den Bildern der beiden heiligen Bischöfe die reichen, mit
Muschelgold ausgeführten Priesterornate mit dem Farbentone zusammenzustimmen wusste. Auf der
Mitra des heil. Nicolaus ist die Figur Christi als Relief-Goldstickerei, auf dem Pedum, und zwar in dem
vollkommen geschlossenen Ringe der Curvatur, die sitzende Madonna mit dem Kinde, auf dem Nodus
sind die vier Evangelisten, von denen aber nur der vordere sichtbar ist, als getriebene Arbeit mit Muschel-
gold ausgeführt. In gleicher Weise
sind die Bischofsornate der Heiligen
Martinus und Erasmus auf dem Bilde
der Wildensteiner Madonna des »Mei-
sters von Messkirch« gemalt. Auf
dem Rückentheile des Pluviale des
heil. Martinus ist die im Strahlennim-
bus auf der Mondsichel stehende Ma-

Fig. 10. Venus und Mars, von Vulkan und Sol im Netze gefangen.

donna mit dem Kinde, auf der grünen
Sammtcasel des heil. Erasmus, die

auch der heil. Nicolaus des Ziegleraltars trägt, ein Crucifix als Reliefgoldstickerei ausgeführt. Den
eigenartigen, höchst selten vorkommenden Krummstab2 des heil. Nicolaus, bei welchem die Curvatur
statt aus einer Schnecke aus einem geschlossenen Ringe besteht, finden wir bei dem heil. Martinus des
»Meisters von Messkirch« (Galerie von Donaueschingen, Nr. 74) und auf der Zeichnung »der heil. Martin
und die heil. Apollonia« desselben Meisters (Fig. 3o) wieder. Auf dem Bilde ist in dem Ringe der
Crucifixus zwischen Maria und Johannes, auf dem Nodus sind wie bei dem heil. Nicolaus die vier
Evangelisten dargestellt; auch die Mitra des heil. Martinus ist mit einer Madonna in Goldstickerei ver-
ziert. Auf der Zeichnung (Fig. 3o) befindet sich in dem Ringe die Madonna in einer Mandorla.

In allmälig, doch stetig aufsteigender Linie entwickelt sich der künstlerische Genius Schäufelein's.
Im Alter von 41 Jahren etwa erreicht er, mühevoll arbeitend und unablässig vorwärts schreitend, stets
lernend und neue Eindrücke aufnehmend, seinen Höhepunkt im Ziegler'schen Altare. Spätere Werke
können diesem würdig an die Seite gestellt werden; übertroffen hat er seine damalige Leistung nicht
mehr. Noch 19 Lebensjahre sind Schäufelein vergönnt. Betrachten wir das Werk dieser 19 Jahre und
vergleichen wir es mit dem der verflossenen Zeit. Verblüffend wenig können die neuesten Forscher und
Biographen Schäufelein's, Muther, Thieme und Mayer als Arbeiten für diese Zeit namhaft machen.
An Gemälden führt Thieme auf: »den Schmerzensmann« (1522), das Porträt des Abtes Hummel (1531),
das, wie Thieme bemerkt, für das Jahr 1532 keineswegs sichergestellte Altarwerk für Oberndorf, jetzt
in Beuren bei Isny (elf Bilder), zwei Porträte von Lorenz und Katharina Tucher 1534, »den verlorenen
Sohn«, das Wiesbadner Selbstporträt, die zwei Studienköpfe der Wiener Galerie, »das Turnier zu Inns-

1 Kunstwerke und Künstler in Deutschland I, S. 350.

2 Dr. Karl Lind, lieber den Krummstab, Wien, Prandel und Ewald, 1863, S. 16 und 42.
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