Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Editor]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 17.1896

DOI issue:
Abhandlungen
DOI article:
Modern, Heinrich: Der Mömpelgartner Flügelaltar des Hans Leonhard Schäufelein und der Meister von Messkirch
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.5904#0416
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Der Mömpelgarter Flügelaltar des Hans Leonhard Schäufelein und der Meister von Messkirch.

373

der evangelischen Lehre bestimmt und wurde ihre Verbreitung von der katholischen Kirche bald nach
ihrem Erscheinen verboten.

Das Oettinger Gebetbuch blieb nach Inschriften der verschiedenen Eigner bis in das 18. Jahr-
hundert im Besitze der Familie. Dann folgt die handschriftliche Notiz: »E bibliotheca et dona(ti)o(n)e
gratiosiss(imae) sereniss(imae) viduae Sophiae Louis princip(essae) Oeningen possidet h(unc) libr(um)
mst. (manuscriptum) rarissimum Gamichel 1791.« Ein Herr Gamichel erhielt demnach dies Buch von
der Fürstin-Witwe Sophie Louise von Oettingen zum Geschenke; mit dem Gatten dieser Fürstin, dem
kaiserlichen General-Feldmarschall Albrecht
Ernst II. (1669—I73i), erlosch die ältere evan-
gelische Linie der Fürsten von Oettingen.

Der rothe Sammteinband, dessen Silber-
beschläge fehlen, scheint aus dem Ende des
XVIII. Jahrhunderts zu stammen. Derzeit ist
dieses Manuscript im königl. Kupfersticheabi -
nete in Berlin (Hs. 6).1

Die 402 Seiten dieses Gebetbuches sind
mit Miniaturmalereien von der Hand des Hans
Schäufelein geschmückt, der an mehreren
Stellen sein Zeichen angebracht hat. Auf dem
ersten Blatte findet sich die Jahreszahl 1537,
auf fol. 177 die Jahreszahl 1538. Jede einzelne
Textseite ist mit vier Randleisten eingefasst,
in welche allegorische, mythologische, bibli-
sche, historische, satyrische und genreartige
Darstellungen sowie Fuchs-, Sau-, Hirsch- und
Rehjagden und Thierbilder aller Art als kleine
Miniaturbilder grösstenteils am unteren Rande
oder an den Seiten eingesetzt sind. Der orna-
mentale Theil dieser Randleisten besteht aus
Glocken, Schellen, Kugeln, geometrischen
Figuren und Quasten, diese letzteren auf
76 Seiten wiederkehrend, Balustern, Säulen,
Vasen, Candelabern, Medaillons mit Porträten
en relief, Blättern, Blumen und Fruchtgehän-
gen, Thieren, als Papageien, Affen, Bären, Eulen, Störchen, Hasen, Schlangen, Hirschen, Pferden,
Löwen, Ochsen, Pfauen, Eseln, Füchsen, Hühnern, Wölfen, Gänsen, Lämmern, Katzen, Widdern,
Krokodilen, Kameelen, Ebern, Rehen und Hunden aller Racen, und schliesslich aus Holzrahmen mit
Intarsien. Fast nur bei figürlichen Darstellungen ist der Pergamentgrund beibehalten. Bei rein orna-
mentalen ist die Randleiste farbig grundirt, so dass sich die Ornamente z. B. roth auf Grün, gelb
auf Roth, violett auf Grün, zinnober auf Carmin, violett auf Roth, carmin auf Roth, gelb auf Car-
min, grün auf Grün, grau auf Braun, grau auf Violett, gold auf Rothbraun, hellblau auf Roth, rosa
auf Schwarz, violett auf Rothbraun, hellbraun auf Roth, braun auf Grün, grau auf Schwarz, hellviolett
auf Dunkelviolett, carmin auf angelegtem Weiss etc. manchmal recht bunt und unharmonisch ab-
heben. Neben den Randleisten finden sich aber auch die ganze Seite einnehmende Vollbilder und
Schlussvignetten.

1 Für die bereitwillige Uebersendung des Gebetbuches zu meinen Studien nach Wien und für die Erlaubniss, einzelne
Miniaturbilder und das Wiesbadner Selbstporträt Schäufelein's photographisch zu reproduciren, statte ich dem hohen königl.
preussischen Unterrichtsministerium sowie dem Director des königl. Kupferstichcabinetes in Berlin, Herrn Geheimen Re-
gierungsrath Dr. Friedrich Lippmann, meinen verbindlichsten Dank ab.

Fig. 12. Satyre auf den Ablasshandel und das Kirchengeläute.
 
Annotationen