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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 17.1896

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Abhandlungen
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Modern, Heinrich: Der Mömpelgartner Flügelaltar des Hans Leonhard Schäufelein und der Meister von Messkirch
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https://doi.org/10.11588/diglit.5904#0423
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38o

Heinrich Modem.

Fol. 195v und 196: Das Unheil Salomons (nach seinem Holzschnitte im »Memorial der Tugend«).
» 197: Moses mit den Gesetzestafeln; vor ihm musicirende Frauen, welchen er den Tact angibt;

auf den Gesetzestafeln Musiknoten.
» 198 und 199: Das Schiessen nach der Leiche des Vaters und der Schiedsspruch.
» 201 : David, knieend; vor ihm liegt die Harfe, hinter ihm die Krone.

Fig. 23. Randeinfassung.

Mit reicher Erfindungsgabe und nie ermattender Phantasie hat Schäufelein das Gebetbuch des
Grafen von Oeningen illustrirt. Altes und Neues Testament, Allegorien und Trionfi, Planetenbilder und
Evangelisten, Jagd und Thierbilder, historische und Genrescenen, Porträtmedaillons und Landschafts-
bilder wechseln anscheinend in bunter Folge doch ist unter den einzelnen Darstellungen auch oft ein
geistiger Zusammenhang zu finden. Auf den »Triumph des Ruhmes« folgen die Bilder Karl V. und Fer-
dinand I., hierauf »Hercules und die Harpyen«, »Esther vor Ahasverus«, »Die Salbung Davids zum Kö-
nige«, gewissermassen eine allegorische Illustration der Thaten und Tugenden des Kaisers (173—177).
Auf »Die Jünglinge im Feuerofen« folgt »Der Triumph der Religion«, »Die vier Evangelisten«, »Ecce
homo« (i63—169). Bedeutungsvoll sind die Suiten des Alten und des Neuen Testamentes, des neuen
und des alten Glaubens (115—117). Diese Beispiele Hessen sich vermehren; doch ergeben sie sich bei
einiger Ueberlegung von selbst. Von »einem Durcheinander der Darstellungen« (Thieme) kann also
keine Rede sein. Die Beschaffenheit des Textes legte der Phantasie des Künstlers keine Fesseln an und
verhinderte bei der eigenartigen Auffassung der gestellten Aufgabe eine ermüdende Eintönigkeit.

Ein für Schäufelein bisher ganz ungewohnter Stoffkreis überrascht uns — die antike Mythologie.
Etwa dreissig, darunter die schönsten und anziehendsten figürlichen Darstellungen des Gebetbuches
sind mythologischen Inhaltes. Aber nicht nur der völlig neue Illustrationsstoff,1 auch die Art der Be-

' Von Schäufelein gibt es kein Oelbild mythologischen Inhalts und einen einzigen Holzschnitt mit mythologischer
Darstellung: Pyramus und Thisbe (B. 95). Auch dieser Holzschnitt fällt in das letzte Decennium von Schäufelein's Thätigkeh.
Schon die üppige Thisbe beweist dies; von mageren und wenig anziehenden Frauengestalten entwickelt sich allmälig Schau-
 
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