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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 17.1896

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II. Theil: Quellen zur Geschichte der kaiserlichen Haussammlungen und der Kunstbestrebungen des Allerdurchlauchtigsten Erzhauses
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Uhlirz, Karl: Urkunden und Regesten aus dem Archive der k. k. Reichshaupt- und Residenzstadt Wien, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5904#0615
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Archiv der k. k. Reichshaupt- und Residenzstadt Wien.

des Handwerks hervortraten,1 auch auf Wiener Boden
nicht verkennen. Die wachsende Concurren^, die Ver-
mehrung des Gewerbebetriebes führen %ur Uebervor-
theilung der Käufer, zu engherziger Auffassung und
Handhabung der ursprünglich zu gutem Zwecke er-
lassenen Ordnungen; die Ungleichmässigkeit der localen
Zunftartikel musste sich bei lebhafterem Verkehre als
störend und hemmend erweisen. Forderten diese Uebel-
st'dnde Abhilfe, erfolgte diese aber weder aus der Zunft
selbst noch von Seite des Rathes, bestrebte sich die
landesfürstliche Regierung, auch auf dem gewerblichen
Gebiete ihr Verordnungs- und Gesetzgebungsrecht aus-
zuüben, so ist es leicht erklärlich, dass sowohl die Auto-
nomie des Rathes als auch die der Zünfte zu Schaden
kommen musste. In Wien hat vornehmlich König Fer-
dinand I. durch die Beseitigung der Hausgenossen im
Jahre 1S22 und den Erlass einer allgemeinen Hand-
werksordnung vom 5. December i52j in dieser Richtung
entscheidend eingegriffen. Von da an sank der Stadt-
rath zur Gewerbebehörde erster Instanz herab, welche
noch da^u zaghaft genug in manchen schwierigen Fällen
selbst in dem belassenen Wirkungskreise es nicht wagte,
eine selbstständige Entscheidung %u treffen. Zu diesen Be-
schränkungen der bürgerlichen und zünftischen Autono-
mie, welche wenigstens die gewerbliche Blüthe des Hand-
werks nicht beeinträchtigen sondern vielmehr fördern
wollten, kamen aber noch andere Schwierigkeiten. Störer
und fremde Handwerker sowie die in der Residenz
Zahlreichen hofbefreiten Meister waren dem bürger-
lichen Handwerker, der mit der Stadt leiden musste,
ärgerliche Nebenbuhler; die Vertheuerung der Lebens-
mittel erschwerte ihm den Unterhalt; ein lebhafter
Handelsverkehr brachte Erzeugnisse fremder Kunst-
fertigkeit nach Wien; neben dem Gewerbsmanne, der
in seinem Lande eigene und zugebrachte Waare ver-
kaufte, treten eigentliche Händler auf, namentlich
Silber-, Glas- und Messerkrämer. Die Factoren und
Agenten der grossen schwäbischen und fränkischen
Handelshäuser, der Fugger und Tucher, von welchen
der eine und andere sich in Wien ansiedelte, vermitteln
den Verkauf mehr oder weniger kostbarer Erzeugnisse
der Augsburger und Nürnberger Goldschmiede; zum
Schlüsse bemächtigen sich auch Juden des Handels
mit Gold- und Silberwaaren. Dazu kam, dass schon
in sehr früher Zeit der Wein- und Tuchhandel eine
vorwaltende Stellung im Verkehrsleben der Stadt ein-
genommen hatte, Handwerk und andere Kaufmann-
schaft dagegen mehr zurückgetreten waren, so dass es
allerdings kein Zufall sein dürfte, dass wir Ende des
i5. Jahrhunderts zum letzten Male einem Goldschmiede
in den Listen des inneren Rathes begegnen, wir also
ein Sinken jenes hohen Ansehens wahrnehmen, dessen
sich Maler, Goldschmiede und Zinngiesser während des
i4- und i5. Jahrhunderts zu erfreuen hatten. Das reli-
giöse Moment, das nach der Reformation in den Zunft-
ordnungen schärfer betont wird, war allerdings bei dem
wenigstens äusserlich überwiegenden katholischen Be-
kenntnisse der städtischen Handwerker nicht sehr belang-
reich; im weiteren Verlaufe aberführte es ebenso wie man-
che andere ursprünglich für die Ehre des Handwerks und
den Vortheil des Käufers erlassene Bestimmung zu eng-
herziger Einschränkung und VerhärtungdesZunftwesens.

1 Vgl. Wilhelm Stieda, »Zunftwesen«, im Handwörterbuch
der Staatswissenschaften 6, 8j8ff.

Schon aus diesem kurzen Ueberblicke dürfte sich
ergeben, dass der Charakter des hier gebotenen Quellen-
materials sich wesentlich von dem des ersten Theiles
unterscheiden muss. Die Entwickelung der städtischen
Verfassung bringt es mit sich, dass die Amtsbücher der
Stadt, Rechnungen und Steuerbücher an Bedeutung ge-
winnen, und, da uns die Forlsetzung jener Stadtbücher,
welche uns früher so reichen Aufschluss boten, nicht
mehr erhalten ist, so treten die Privatangelegenheiten
der Bürger, denen wir im ersten Theile weiten Raum
Zu gönnen hatten, in der Fortsetzung ganz \ur"ück,
ebenso wie die immer seltener verwendete Urkunde
durch den Act ersetzt wird. Schränken sich aber nach
einer Seite die Quellen unserer Erkenntnis ein, so wer-
den sie nach anderen hin vielfach vermehrt und er-
weitert. Wir erhalten reichliche und ununterbrochene
Beiträge zur Geschichte der Preise und können den
bürgerlichen Betrieb der Kunst und des Kunsthand-
werks viel deutlicher und unmittelbarer verfolgen, als
dies im ersten Theile möglich war. Auf Grund der
Steueranschlagbücher konnten wir wenigstens für den
Anfang des 17. Jahrhunderts ein genaues Bild der Ver-
theilung der hieher gehörigen Gewerbe in der Stadt zu-
sammenstellen, die Steuerleistung, den Betrieb, Ertrag,
Fortgang oder Rückschritt des einzelnen ermitteln.
Die Rechnungen des Bürgerspitals sind besonders des-
halb lehrreich, weil sie uns den Einfluss erkennen lassen,
den der grosse, im bürgerlichen Geiste geleitete Haus-
halt dieser Stiftung auch auf unserem Gebiete zu üben
vermochte.

Di ese innere Verschiedenheit hat denn auch an
manchen Stellen eine besondere Art der Behandlung er-
heischt. Die übergrosse Fülle der Notizen machte es
nöthig, ganz belanglose auszuscheiden, immer wieder-
kehrende unter der ersten Erwähnung zu vereinigen, die
oft langwierigen und umständlichen Eintragungen der
Amtsschreiber zu kürzen. Bei Ausgaben für Bauten
sind nur die kunstgeschichtlich bedeutsamen Posten auf-
genommen, die anderen zusammengezogen oder wegge-
lassen worden, während die veränderte Organisation
der Wiener Münze in dieser Abtheilung, wenigstens
vom Beginne des 16. Jahrhunderts an, die jedesmalige
Erwähnung etwa vorkommender Münzmeister oder
anderer Münzbeamten nothwendig machte. Von den
Ziemlich häufig erwähnten Verfertigern musikalischer
Instrumente habe ich nur die Orgelmacher berücksich-
tigt, da ihre Thätigkeit im Zusammenhange mit der
Ausschmückung der Kirchen steht.

Dem kundigen Benutzer vorliegender Sammlung
dürfte es auffallen, dass in ihr einer der berühmtesten
Namen so selten vorkommt, nur an wenigen Stellen der
oft besprochene »Maler« Wolfgang Ruland angeführt
wird (vgl. Janitschek, »Geschichte der Malerei«, S.302).
Dieser anscheinende Mangel erfordert bestimmte Recht-
fertigung und es wird zu diesem Behufe nothwendig
sein, zu untersuchen, wieso der ehrbare und wohlbe-
güterte Rathsherr Wolfgang Ruland dazu kam, als
»der bedeutendste Meister der Wiener Malerschule im
Mittelalter« zu gelten.1 Im Jahre 1862 berichtete Karl
Schnaase über einen in Klosterneuburg befindlichen Ge-
mäldecyklus, der in zwölf Tafeln Scenen aus der Ge-
schichte Johannes des Täufers, der Passionsgeschichte

1 llg im Kataloge der Schatzkammer und der Kunstsammlung
des Stiftes Klosterneuburg, S. gr.
 
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